Eleganz
Wer sich reinen Gewissens mit dem Prädikat „elegant“ schmücken will, muss nicht nur ein paar lästige Grundregeln des Benehmens verinnerlicht haben, sondern sich auch ganz genau darüber im Klaren sein, welche Formen von Benehmen unbedingt zu vermeiden sind, wenn man in der öffentlichen Wahrnehmung als Elegant empfunden werden möchte. Zu letzteren zählen unter anderem die meisten Zwischenfälle, die etwas mit unkontrollierten körperlichen Ausscheidungen zu tun haben, gerade in der Gesellschaft eines Umfeldes, welches sich durch ernstzunehmende Eleganz auszeichnet. Pro- und Kontra Diskussionen, die die verworrene Komplexität internationaler Konflikte zu ergründen versuchen, enden, gerade im leicht angetrunkenen Zustand, meistens in betroffener Peinlichkeit und sind von daher ebenfalls zu vermeiden. Eleganz bedeutet also in erster Linie, an der eigenen Lebensqualität zu sparen, was das ganze Konzept ziemlich fragwürdig erscheinen lässt. Deswegen ist Eleganz unbedingt zu vermeiden.

Grazie & Anmut
Ähnlich wie bei der Eleganz handelt es sich bei „Grazie“ und „Anmut“ um besonders feine Eigenschaften, die zugegebenermaßen nur wenigen vorbehalten sind. Wenn man sich also im eigenen Kopfkino sicher wägt und fest davon überzeugt ist, die Gesamtperformance der Tanzfläche ästhetisch voranzubringen, kann man mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass dem, nach objektiven Bewertungskriterien, definitiv nicht so ist, was aber auch gar nicht schlimm ist, denn das allerwichtigste ist und bleibt: „Komatös, doch auf den Beinen.“ Dennoch sollte es erfahrenen Clubgängern möglich sein, den Laden des jeweiligen Vertrauens auch am nächsten Mittag einigermaßen würdevoll zu verlassen, um dann den Heimweg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzutreten und naserümpfend die arbeitende Bevölkerung zu verspotten.

Morgenbierchen und Protestkultur
Gerade jetzt, nachdem Klaus Wowereit seinen Rücktritt angekündigt hat und Kreuzbergs Nächte kürzer zu werden drohen, gilt es umso mehr, die Fahne des gepflegten Feierproletariats hochzuhalten, und durch den gezielten Einsatz von Biergenuss am frühen Morgen den Status Berlins als Alkoholiker-Utopie zu verteidigen. Unter dem Vorwand, das kulturelle Erbe der Stadt erhalten zu wollen, und deswegen an einer Technoparade teilzunehmen, kann wirklich jeder. Ein gepflegtes Morgenbierchen in den richtigen Bezirken zu schlürfen, ist in dieser Hinsicht deutlich wirkungsvoller und macht den restlichen Tag außerdem zunehmens erträglicher.

Die Ästhetik des Eigenruins
Was mit Jimi Hendrix und Kurt Cobain die unreifen Anhänger der handgemachten Gitarrenmusik nachhaltig beeinflusste, scheint in den einschlägigen elektronischen Pinten der deutschen Hauptstadt ebenfalls salonfähigen Status zu genießen: Der selbstverschuldete körperliche Verfall als bedeutungsschwangeres Statement gegen den biederen Staat, ein stummer Schrei nach Zärtlichkeit, Narziss, der seine Überreste im Spiegel betrachtet. Schließlich sind Blüten am schönsten, wenn sie verwelken, und man sich dadurch erinnert, wie sie in ihrer Blütezeit aussahen.

Begriffsherkunft „Wasted“
Wer hat diesen Quatsch eigentlich erfunden? „Wasted“? Und das alles mit der „Wasted Youth“, und den Kids mit den bunten Stickern und der furchtbaren Quietsch-Musik, zu der sie sich in den Provinzen mit ihren teuren Turnschuhen auf die Füße traten, aber nur bis drei oder vier, denn dann war Sperrstunde, und die Eltern dachten sich „Hui, da wird heute einer gut schlafen.“ Der oder diejenige war sich seiner oder ihrer pädagogischen Vorbildfunktion jedenfalls nicht gewahr, wie sonst kommt man auf die Idee, Geld auf Kosten der Gesundheit anderer zu machen … äh. Moment mal. Das Konzept muss einfach von einem staatlichen Krankenhaus kommen.

Der Wirtshausgriff
Der dreifacher Rittberger unter allen Formen der komatösen Selbstbeherrschung stellt mit ziemlicher Sicherheit ein grundsolider Wirtshausgriff dar, ergo die Fähigkeit, sein Gleichgewicht am Tresen oder am Tisch sitzend durch das lockere Umfassen eines halbleeren Bierglases halten zu können. Dieser Griff erfordert viel Erfahrung und wird im Lernprozess mit der ein oder anderen Platzwunde an der Stirn quittiert. Deswegen empfiehlt es sich während der Schulung, ausschließlich Lokale mit gummierten Bartresen aufzusuchen.

Richtiges Verhalten in der Clubschlange
Viele kennen es, doch keiner mag es: Anstehen vor dem Club, ein bisschen Angst haben, ob es dann auch wirklich klappt, mit der Musik und dem Rausch der ersten Wahl, und irgendwie hängt auch eine komische Stimmung über jenes DDR-Relikt, dessen Länge und Dauer offensichtlich ein Gütekriterium des Ladens am anderen Ende zu sein scheinen. Nun, wie auch innerhalb des Clubs, ist davor ebenfalls eine gewisse Etikette gefragt, vor allem, da die dort verbrachte Wartezeit einen großen Posten im nächtlichen Zeitplan darstellt. Deswegen das ultimative Drei-Punkte-Programm, wie man sich den Respekt der Mitwartenden in einer Berliner Clubschlange verdient.
1: Schweigen ist Gold. Halt einfach die Klappe und rümpfe verächtlich die Nase, wenn sich jemand in deiner Nähe ausgelassen und fröhlich gibt.
2: Wenn du dich in Hörweite des Selecters befindest, ist es an der Zeit, dein Insider-Wissen aufblitzen zu lassen. Rede beiläufig über das neue Whitelabel-Release des DJs, der heute eigentlich nur Opener ist. Sprich nie über den Headliner. Nie.
3: Auf den letzten Metern gilt wieder Regel 1: demütig die Fresse halten, und hoffen, dass man Erbarmen mit dir hat. Achtung: Das Drei-Punkte-Programm garantiert keinen Einlass.

Was man alles machen könnte, anstatt vor dem Club anzustehen
– Eine abgefilmte Version des aktuellen „Resident Evil 3D“ Streifens streamen
– Deine New-Balance Schuhe endlich mal zum Schuster bringen
– Herausfinden was ein Schuster ist
– Alle Songtexte von Peter Maffay mit Ketchup an die Wand des Kanzleramtes schreiben
– Frischhaltefolie falten und hinterher wieder glattstreichen und aufrollen
– Auf der Toilette deines Erzfeindes masturbieren

„+1“
Die typische, gesichtslose Ziffer auf der Gästeliste, die auf die Existenz eines Menschen hinweist, kommt meistens allein, schreitet erhobenen Hauptes an der Schlange vorbei, stellt vorne angekommen fest, dass ihr, also der Ziffer, noch Kippen fehlen, dreht um, geht zum Laden zurück, nur um wieder erhobenen Hauptes an dem unwürdigen Volk in der Schlange vorbeizuschreiten, fasst Mut, setzt einen stolzen Gesichtsausdruck auf und presst ein selbstbewusstes „Ich steh‘ auf der Liste, ich bin das +1 bei dem DJ“ heraus. Auf die Nachfrage hin, welchen DJ die Ziffer denn nun meine, folgt oftmals unberechenbares Gestammel und wildes Namedropping, beflügelt vom eisernen Willen, nach dieser Diskussion eine durchgestrichene Ziffer auf einem Stück Papier zu sein. Sollte dieses Vorhaben wider allen Erwartungen gelingen, findet man quasi einen gemeinsamen Nenner, dann ist die Rechnung der Ziffer wohl aufgegangen, die Ziffer freut sich, sie wird menschlich.

Anleitung zum artgerechten „Wasten“
Vieles ist zu beachten, möchte Mann oder Frau gern „wasted“ werden, denn „wasted“ ist heutzutage nicht gleich „wasted“, und so kann vor allem bei nicht artgerechter Durchführung des Prozesses des „wastens“ erheblicher Schaden an Image und Körper angerichtet werden. Es gilt: Die Summe der Buchstaben sollte mindestens einen Vokal innerhalb der fröhlichen Ringelreihen aufweisen, und was die farblichen Nuancen der inbrünstigen Liebe angeht, ist eine geschmackvolle Abstimmung mit der Abendgaderobe durchaus angebracht. Und wenn einem schlecht werden sollte, war wahrscheinlich ein bisschen zuviel Kirsch im Malibu.

Das „Essen danach“
Flüssignahrung wird ihren schlechten Ruf nicht los, doch genaugenommen besteht die mittlere Pizza von der fragwürdigen Imbissbude an der Ecke gewiss zu fast 95% aus Flüssigkeit. Also die Art von Pizza, bei der Teigboden und Pappkarton auf dem Heimweg zu einer untrennbaren Fettmasse verschmelzen. Dankbar erinnern wir uns also jeden Sonntag Abend bei der mehr oder weniger notwendigen Nahrungsaufnahme an Homer Simpsons Lektion aus aus Episode 8 Staffel 12: Das Pizzastück einrollen und elegant, ohne Kaubedarf, einfach runterschlingen. So entfaltet es seine volle Pracht erst unten, im angesäurten Magen.

Die Taxifahrt nach Hause
Wenn man mit der „Arbeit“ fertig ist, auf dem Dancefloor absolut nichts mehr zu holen ist, und die entlegene Hirnregion, die für den Heimgeh-Reflex zuständig ist, zaghaft an die Schädeldecke klopft, sieht auch der hartgesottenste Nachtaktivist ein, dass es so langsam mal an der Zeit sein könnte, nach Hause zu gehen. Wenn diese Erkenntnis erstmal da ist, und man dann auch noch ein paar Münzen und zerknitterte Scheine in den Tiefen seiner Taschen findet, dann scheint die Wahl des Fortbewegungsmittels relativ klar. Ein schlecht bezahlter Taxifahrer wird sich wohl oder übel deines erbärmlichen Gestanks annehmen und sich belustigt über deine unbeholfenen Selbstbeherrschungsversuche zeigen. Diese neuen Mercedes haben aber auch ein merkwürdiges und übelkeitsförderndes Beschleunigungsverhalten.

Dicht in der Arbeit
Wer schon länger dabei ist, kommt nicht umhin, ab und an mal dicht in der Arbeit zu erscheinen. Ein kleiner Leitfaden, wie man den Tag übersteht:
– Viel Zeit darauf verwenden, sich mit wunderlichen Büromaterialien auseinanderzusetzen und zu versuchen, die unermessliche Tiefe ihrer Funktion zu verstehen.
– Wenn du sexuelle Bergierde gegenüber deinen Kollegen entwickelst weil du noch am runterkommen bist, ist das vollkommen in Ordnung, vielleicht bringt es dich beruflich sogar weiter.
– Trink in der Pause unbedingt ein bis drei Bier um Pegel und Heiterkeit aufrecht zu erhalten.
– Geh hinterher wieder da hin, wo du hergekommen bist.

Flirtverhalten
– Antanzen von hinten ist durchaus OK, du musst nur mit den Konsequenzen klarkommen.
– Bleib unbedingt dran, auch wenn das Objekt deiner Begierde konstant von dir weicht. Es liegt bestimmt nur an der Lautstärke der Anlage.
– Lass dich nicht davon beirren, dass der Partner/die Partnerin deines Zielobjektes dir seit einiger Zeit wütende Blicke zuwirft.
– Besonders cool ist nach wie vor, das Barpersonal zu bezahlen, damit es ihm/ihr einen Drink bringt, mit dem Hinweis, dieser Drink stamme von dir. Nutze die so entstandene Aufmerksamkeit und hebe dein Glas so lässig, wie es dir nur irgendwie möglich ist. Angaben ohne Gewähr.

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