Text by Ezekiel

Mittlerweile dürfte wohl fast jeder zweite das Video des schwedischen Tomorrowland Mainstange Clown Salvatore Ganacci gesehen haben. Allein das erste Video hat mittlerweile mehr als 3 Mio Views. Hinzu kommen andere Videozusammenschnitte und Dutzende von Reposts. Der Junge hat’s geschafft, er steht gerade mitten in der Öffentlichkeit der elektronischen Musik.

Ich muss zugeben, ich dachte: Tiefer als Steve „die Torte“ Aoki oder irgendwelche barbusigen weiblichen DJ’s, die sich auf dem Mixer hart im Schritt bearbeiten, geht es nicht, aber Salvatore Ganacci hat es getoppt in seiner Stunde auf der Tomorrowland Mainstage. Er hat wirklich jedes Register, sich zum Honk zu machen, gezogen und damit sein Publikum, das ihn feiert, automatisch gleich mit. Immerhin reicht sein Repertoire vom Begatten des DJ Pultes, harten Übergängen statt Mixen, gezieltem Falschsingen bis zu einer Unterbrechung, damit jeder sein Haar im Ventilator flattern sehen kann. Darauf muss man erstmal kommen!

Aber Salvatore Ganacci ist auch nicht mein Thema, er hat alles richtig gemacht, er hat sein Publikum in den 60 Minuten komplett mit einem schrägen Entertainment bedient, das es wohl wollte und damit letztlich einer Verarschungsperformance, die es verdiente.
Viele haben sich gefragt, was sein Problem und das der Leuten ist, als sie die Performance sahen, als ob das klinisch wäre und irgendwie medizinisch erklärbar. Dabei ist er nicht das Problem. Das Problem sind wir, das Problem ist unser Verständnis von Festivals.

Wenn man zu einem Festival fährt, bei dem zwanzigtausend, fünfzigtausend oder mehr als hunderttausend Gäste sind, muss man sich schon im Klaren darüber sein, dass man hier mitten im Mainstream gelandet ist. Mit unzählig vielen verschiedenen Geschmäckern, die zu befriedigen sind. Ein Festival dieser Größe ist halt der Malle Urlaub unter den Großveranstaltungen, weil es für jeden etwas bietet, wie Malle, sogar im Vergleich mit Ibiza. Es ist wie eine Pauschalreise, von allem ein bisschen, am Ende zählt nur das Gesamtpaket. Genau das sieht man auch dem Publikum an. Wer die Videos von Charlotte de Witte vom Freitag und das von Salvatore Ganacci vom Samstag aufmerksam beobachtet, sieht darum auch zu Duzenden dieselben Menschen in fast demselben Outfit mit Glitzerperlen hier und dort im selben Style zu beiden feiern.

 

Nur weil die großen Namen aus der Technoszene dort auch spielen, ist es dennoch der Malleurlaub und wenn man das nicht mag, dann sollte man aufhören, zu solchen Festivals wegen einzelner Namen zu fahren und anfangen wieder nach musikalischem oder künstlerischem Gesamtkonzept auswählen. Fahr ich zu einem Tomorrowland wegen Drumcode, bezahl ich automatischen einen Salvatore Ganacci mit. Damit trage ich selber dazu bei das er gebucht und bezahlt wird. Punkt!

Das Feierverhalten hat sich im Laufe der Jahre verändert aber am Ende entscheidet für sich jeder selber. Wenn ich mich damit nicht identifizieren kann, dann fahr ich halt zu einem der mittlerweile zahllosen kleinen bis großen Festivals die in ganz Europa aus dem Boden gestampft wurden. Jeder entscheidet selber was für ihn ein gutes Festival ausmacht. Ist es das ein schlüssiges musikalisches Konzept, sind es einzelne Acts, ist es die Deko, ist es die Größe oder ist es die Randbespaßung mit Riesenrad und Hau-den-Lukas? Ich entscheide am Ende mit jedem Ticket das ich kaufe nahezu demokratisch, welche Festivalkonzepte wachsen und welche scheitern. Ihr mögt Salvatore Ganacci nicht, dann macht andere Festivals stark. Am Ende bleibt: Salvatore Ganacci hat alles richtig gemacht und dem Publikum einfach gegeben was es wollte.