Dafür müssen wir zuerst definieren was Clubsterben überhaupt heißt. Fakt ist: Clubkultur ist zu einem flotten Marketing-Faktor geworden, der auch ökonomischen Wert für den Senat hat. Clubschließungen bekommen weitaus mehr Presse als in den neunziger Jahren, aber auch nur, weil Clubs heutzutage schwerer Räume finden, wo ihnen nicht gleich genervte Nachbarn aufs Dach steigen. Das Gewerbemieten nach dem Mietendeckel, der inzwischen auch down ist, das neue Mekka für Investoren sein dürften, hab ich zwar noch nirgendwo gelesen, aber halte ich für plausibel.
Clubsterben, tja… Rein rechnerisch gibt es kein Clubsterben. Es findet eine Art Auslagerung statt, also eine räumliche Verschiebung, aber nicht unbedingt Dezimierung. Das lärmende Nachtleben muss Franchise Gastronomie und überteuerten Trendwear Boutuiquen weichen, die ihrerseits wiederum dem schnöden Online Shopping zum Business zum Opfer fallen. Das Ostberliner Territorium bietet in Richtung Lichtenberg, Köpenick, oder Oberschöneweide noch genug alte Fabrikareale, die vor einigen Jahren noch zu sehr weit ab vom Club kulturellen Epizentrum zu liegen schienen, aber mittlerweile durchaus ernst zu nehmende Optionen sind. Clubschließungen gibt es aus den unterschiedlichsten Gründen. Da ist die vielbeschworene Willkür der Berliner Ordnungsorgane, die sich letztlich nur um einen vernünftigen Brandschutz sorgen. Da ist die natürliche Evolution der Clubbetreiber selbst, die es irgendwann wesentlich entspannter finden, abends ihre eigenen Bar/Restaurant zu sitzen, anstatt sich die Nächte um die Ohren zu prügeln. Da wird auch einfach mal ein Nutzungsvertrag gekündigt, oder der neue Mietpreis sorgt für zu wenig Gewinn. Da ist der Laden einfach durch viel Management im Bereich Booking totgespielt worden, da hat sich die Gästestruktur zu negativ entwickelt, da waren Clubs zu früh zu weit weg angesiedelt wie zum Beispiel das Czar Hagestolz.
2021 warten wir immer noch darauf, dass der erste Berliner Club wirklich stirbt, dennoch leben noch alle, wenn auch sicher teilweise hoch verschuldet. Zumindest die, die sich nicht mit Außenflächen über den Sommer retten konnten oder andere Kulturkonzepte entwickelten, die ihnen Einnahmen ermöglichten.
Neben unserer Bubble und der Fokussierung auf die Technokultur als Selbstverständnis unserer Stadt müssen wir auch sehen, dass die Marke Berlin nicht nur Clubkultur bedeuten kann, denn diese Stadt besteht nicht nur aus 3 Millionen Clubgängern. Berlin ist schon ein bisschen mehr, sonst hätte die von von Jung von Matt entwickelte Kampagne, die mit dem Motto #WirSindEinBerlin die alte Berlin Marke „be berlin“ abgelöst hat, gleich eine Discokugel statt des Berliner Bären genommen.
Clubkultur fördert Gentrifizierung > fördert Tourismus > fördert Wohnungsknappheit = fordert neue Betrachtungsweisen, denn dieses wunderbare schöne, großartige, fantastische Ding namens Techno ist 30 Jahre alt. Und wir tanzen nicht mehr in den Ruinen eines untergegangenen Staates. Wir tanzen im Kapitalismus und der fickt nicht nur die Clubkultur der Stadt, der fickt die ganze Welt. Wenn wir also mit unseren 300 Clubs das große Heulen anfangen, ist das schon das berühmte Jammern auf hohem Niveau.
Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die Berliner Clubkultur, die sich gern auch abgekapselt, elitär auftritt, Zusammenarbeit ablehnt, die nicht immer einfach ist, seit ein paar Jahren ein ziemlich großes Maß an Unterstützung erfährt quer über fast alle Parteien, Lobbyorganisationen und natürlich ihre Gäste.
Wir müssen interessengebundene Aussagen wie „ohne Clubs kann Berlin komplett dicht machen“ in die richtige Bedeutungshöhe einsortieren. Was wir wissen ist, dass Millionen junge Menschen jährlich nach Berlin kommen, um hier zu feiern. Das haben wir ziemlich gut hinbekommen und da fließt auch eine Menge Geld in die Stadt, denn nicht alles bleibt in den Clubkassen. Hotels profitieren davon. Die Reiseindustrie sowieso. Und sogar das Finanzamt. Eigentlich müsste die Frage lauten: Ist dem Senat das hippe Image und die wirtschaftlichen Einnahmen aus dem Nachtleben so viel wert, um dafür eine Änderung des Baurechtes durchzusetzen? Und einige Clubs müssen sich fragen: Wie schaffen wir es unseren Anspruch als ausschließende Subkultur ohne öffentlichen Zugang in Einklang zu bringen mit der staatlichen Protektion und dem geforderten Siegel „Kultur“?