„Ohne Karneval kann Pfingsten ausfallen!“, so eine Passantin an einem Info-Stand. Die Menschen in Berlin wollen nach dreijähriger Pause wieder den Karneval der Kulturen feiern, denn sie empfinden ihn als eine deutschlandweit einzigartige Plattform, um Vielfalt zu (er-)leben.
Diese und andere Einsichten gewannen die Veranstalterinnen in einem dreimonatigen Beteiligungsverfahren, das mit Akteurinnen, Anwohner*innen, Verantwortlichen aus Politik und Kultur und der Berliner Stadtgesellschaft durchgeführt wurde, um eine Neuausrichtung der Berliner Leuchtturmveranstaltung einzuleiten.
Das Beteiligungsverfahren wurde von den Macher*innen des Karnevals zusammen mit dem nexus Institut umgesetzt. Neben Info-Ständen, einer Online- und mehreren Live-Umfragen wurde eine Szenarienwerkstatt durchgeführt, bei der verschiedene Varianten für die Umsetzung sowie Entwürfe für ein erneuertes Leitbild diskutiert wurden. Es haben in drei Monaten insgesamt 1.043 Berlinerinnen und Berliner am Beteiligungsprozess teilgenommen – ein großer Erfolg angesichts des kurzen Zeitraums des Verfahrens, so das nexus Institut. Umzugsgruppen wurden zudem 2022 in unterschiedlichen Bezirken aktiv, um berlinweit „Funken“ der Vielfalt, Kulturen und Begegnungsräume zu feiern.
Die Werte, die das erneuerte Leitbild bestimmen, sind heute wichtiger denn je: Der Karneval soll politisch bleiben: Antidiskriminierung und Antirassismus sind Kern des Gründungsimpulses – die Vielfalt und künstlerisch umgesetzten Botschaften der Gruppen sind hier zentral. Der Karneval will vernetzen und wirklichen Austausch fördern. Er will als Berliner Leuchtturm-Event die Stadtgesellschaft prägen und in Sachen Nachhaltigkeit gemeinsam mit dem Bezirk und Partnern weiter nach neuen Wegen suchen.
Um die Integrität der Veranstaltung auch zukünftig zu sichern, wurden verschiedene Szenarien sorgfältig geprüft. Ein anderer Bezirk, ein dezentrales Konzept, eine andere Route des Umzugs, ein anderer Zeitraum. Diese Varianten erwiesen sich in einer zweimonatigen Machbarkeitsstudie als organisatorisch und finanziell zu aufwändig oder wurden von den Beteiligten abgelehnt. Die durch die Herausforderungen der Pandemie und die Inflation gestiegenen Kosten versuchen die Veranstalter*innen durch eine Streckenkürzung und die damit einhergehende Reduzierung der Gruppen beim Umzug 2023 aufzufangen, trotzdem bleibt es – statt der aktuell in der Eventindustrie üblichen 30-40% – immerhin noch bei einer Steigerung von rund 20%. Dafür werden weitere Finanzierungsmöglichkeiten und Kooperationsformen gesucht.
In diesem Sinne freut sich der KdK über neue Unterstützerinnen und Kooperationspartnerinnen, die diese zukünftigen Herausforderungen und Entwicklungen möglich machen wollen – denn eins ist klar: Es gibt immer noch viel Entwicklungspotential. Das Straßenfest kann eine größere Plattform für Kreativwirtschaft, Nachwuchsförderung und Nachhaltigkeitsinnovationen werden, das Netzwerk des Karnevals kann mit einer Weiterentwicklung des „Funken-Konzepts“ der Stadtgesellschaft auch über das Jahr hinweg kreative Vielfalt bieten.
„Polarisierungen in der Gesellschaft sind weltweit ein Thema, auch in Berlin – und dies in einer Zeit, in der die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, eigentlich viel mehr Zusammenhalt verlangen“, so Geraldine Hepp vom Leitungsteam. Der Karneval der Kulturen baut Brücken und fordert neue Perspektiven heraus – damit ist er so viel mehr als nur ein rauschendes Fest. Jedes Jahr steht der Karneval neu vor dem Anspruch, seine Potenziale in der Stadtgesellschaft zu entfalten und neue Denkanstöße zu geben. Als Leuchtturmveranstaltung Berlins und einzigartiges Statement für Vielfalt, Toleranz, Engagement, Kunst und Kultur kann er allerdings nur mit der Unterstützung des Senats, dem ehrenamtlichen Engagement der Akteurinnen, zukünftigen Partnern und neuen Unterstützerinnen weiterhin existieren und sich weiterentwickeln.
Der detaillierte Abschlussbericht zum Beteiligungsverfahren zur Leitbildentwicklung des Karneval der Kulturen kann auf der Webseite karneval.berlin eingesehen werden.