Parra for Cuvas Piano-EP Belle de Nuit greift den Nachhall der Vergangenheit des Musikers auf. Was vielleicht vielen seiner HörerInnen
unbe-kannt war, die den Künstler vorrangig an seinen ausgereiften elektronischen Tracks erkennen, mit denen er international berühmt geworden ist: das Klavier war für lange Zeit Nicolas’ Begleiter – die Beziehung begann bereits in seiner Kindheit. „Ich spiele Klavier,
seit ich zwölf Jahre alt bin“, erinnert er sich. Dank eines Lehrers in frühen Tagen, der ihm den Geist für die Freuden der Improvisation
und die Jazz-Musik öffnete, wurde das Instrument vom Begleiter zu einem unersetzlichen Werkzeug für die Arbeit als Komponist.
In den folgenden 18 Jahren bildete das Klavier den Schlüssel für Parra for Cuvas musikalischen Output. „Viele meiner Tracks wurden zuerst am
Klavier entworfen“ – auch wenn dieses im Vergleich zu seinem elektronischen Setup ziemlich im Hintergrund stand. Jetzt ist es nach Ansicht Parra for Cuvas Zeit, das Instrument in den Vordergrund zu rücken.
Mit seiner ersten Solo-Klavier-EP kehrt der Künstler in jenen Moment der Einsamkeit zurück, bevor er in die Welt der Festivalbühnen und Kollaborationen eintauchte – und das mit einem bewegenden Tribut an seine Vergangenheit und das Instrument seines Herzens. Aufgenommen mit einem alten Seiler-Klavier in der Behaglichkeit seines eigenen Heimstudios, erlauben die vier Tracks einen Einblick in Parra
for Cuvas Privatleben. Im Eröffnungstrack der EP namens Belle de Nuit sind sowohl weiträumige Resonanzen, der sanfte Klang der
Pedale als auch das Klavier selbst Teile des Stücks. Klänge, die die Hörerin oder den Hörer daran erinnern, dass das Instrument innerhalb
von Zeit und Raum existiert – in diesem Fall in einer kalten Winternacht während einer nächtlichen Jam-Session nach einem Gläschen
Wein zuviel. „Meine Freundin und ich haben Abendessen gekocht und getrunken und ich habe mich einfach ans Klavier gesetzt und etwas angeheitert angefangen zu improvisieren“, sagt er. Glücklicherweise drückte Paula heimlich den Aufnahmeknopf auf ihrem
Smartphone und so konnte das Stück am nächsten Morgen rekonstruiert und weiterentwickelt werden.
Mehr als nur den Moment der Behaglichkeit einzufangen, bezeugt die fesselnde, fließende Melodie, wie schnell, weit und frei die Fantasie in der Intimität der heimischen vier Wände reichen kann. Dasselbe lässt sich vom zweiten Stück der EP, Belle de Jour, sagen. Mit seinen gedämpften Tasten und der sanften Geschwindigkeit ruft der Track das Gefühl von kreativer Bummelei langsamer Wochenend-Morgen hervor. Trotzdem es als Ergänzung zu seinem Output als Elektronik-Produzent dient, erlaubt das Klavier Parra for Cuva eine andere Art von Ausdruck und Mindest, als es das Herumklicken auf seinem Computer tut. „Wenn ich elektronische Musik komponiere, transportiert der fertige Song ein bestimmtes Gefühl durch das ganze Stück hindurch. Ein Klavierstück kann auch ein Gefühl transportieren, aber neben diesem Gefühl kann es eine sehr
einzigartige und detaillierte Handlung erzählen“, sagt er. Diese einzigartige Charaktereigenschaft wird in Life Lately wunderbar
rübergebracht – eine musikalische Saga, die wächst, beschleunigt, sich zurückzieht, taumelt und wieder auf ihren Füßen steht. Die warme
Melodie fungiert als Leitlinie durch die Höhen und Tiefen des Stückes und erinnert die ZuhörerInnen daran, dass die niemals endenden Kreise des Lebens Trost in sich bergen. Der Track schließt zudem einen persönlichen Kreis Parra for Cuvas, nachdem er verschiedene Versionen des Songs ausprobiert hat, seit er 14 ist. „Er gab mir viel Trost während meiner stressigen Schultage und ich freue mich, dass ich es endliche geschafft habe, ihn zu finalisieren“, sagt er. Trotz seines bestimmenden und ermutigenden Tons war das Abschlusstück Arriving über mehr als zehn Jahre ebenso eine unfertige Arbeit. „Es ist das älteste Stück, das ich je geschrieben habe und es ist vermutlich der Grund, warum ich angefangen habe, Musik zu produzieren. Ich wollte wissen, wie der Song in einer Notierung aussieht, weil ich immer vergessen habe, wie er geht.“ Während er in seinen Erinnerungen wühlte, um diese alten Motive zum Leben zu erwecken, fand Parra for Cuva auch eine neue Form der Wertschätzung für ein altes Geschenk, das ihm seine Mutter als Teenager übergeben hatte: eine Audio- Workstation, die es dem Künstler erlaubt, seine ersten Ideen in Noten zu übertragen. „Wenn ich daran denke, dann führte das Programm dazu, dass ich meine Karriere startete“, sagt er. Deshalb war es dem Künstler wichtig, dass die Veröffentlichung der EP von einem Buch begleitet wird, das ein Vorwort und Notenblätter
für alle vier Tracks enthält. „Das Buch ist das Herz meiner EP. Eigentlich geht es hier hauptsächlich darum.“ Intimität und Fürsorge verströmend ist Belle de Nuit die perfekte Verkörperung für ein Tribut. Sei es an seine ausnahmslos unterstützenden Eltern und seine Freundin, sein altes Seiler-Klavier oder eben an seine eigene mäandernde Flugbahn – klar ist, dass die EP zurückschaut auf die versierte Vergangenheit
des Musikers und all die signifikanten Momente und Menschen darin. Beim ersten Hören mag Belle de Nuit Welten von den jüngeren Klangwelten des Künstlers entfernt sein, doch beim genaueren Hören ist es unbestreitbar, dass es sich hier nicht um ein neues Abenteuer handelt als eher ein Refugium, in dem er sich selbst absolut wohl fühlt.