Das Programm ist fast komplett: Zu den Neuzugängen bei Pop-Kultur 2023 gehören die atmosphärische Intensität von Charlotte Brandi, die unvergleichlichen Hooks der South-African-Music-Award-Gewinnerin Sho Madjozi, die sicher auch ihren viralen Hit »John Cena« im Gepäck haben wird, die Afro-R&B-Musikerin T’neeya und Pole-Performerin FRZNTE, die diesmal ihre DJ-Skills beisteuert.
Außerdem präsentieren Nikita Netrebko, Gründer der in Kyiv ansässigen Veranstaltungsreihe und des Plattenlabels Worn Pop, und Festivalveranstalter Serhiy Yatsenko die Commissioned Work »Kyiv Black Box« als interaktive Hommage an die Resilienz der Ukrainer Clubszene: Das Containerprojekt zeigt eine Videoinstallation aus dem Club Closer in Kyiv. In dieser simulierten Clubsituation bekommen Pop-Kultur-Besucher*innen einen Eindruck davon, wie die ukrainische Clubszene in Zeiten wie diesen singt, tanzt und feiert – obwohl sie dabei stets von Stromausfällen unterbrochen wird.
»Can I Kick It? Yes, You Can«
Das Runde muss ins Diskursive – Pop-Kultur legt 2023 einen Schwerpunkt auf das Thema Fußball. »Can I Kick It? Yes, You Can!« bewegt sich an den Schnittstellen von Sport, Aktivismus und Popkultur. Das von Yeşim Duman konzipierte und gemeinsam mit Pamela Owusu-Brenyah kuratierte Projekt und die dazugehörigen Programmpunkte sind diskursiv, interaktiv und finden kostenlos für alle zugänglich rund um die Çaystube und im Kino in der Kulturbrauerei statt – Kunstrasen, Kickertisch, Torwand und Fußballhymnen inklusive.
Für Yeşim Duman handelt es sich um ein Herzensthema: »Fußball ist ein Phänomen der Popkultur und ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Beim Pop-Kultur Festival steht die gesellschaftspolitische Komponente des vielschichtigen Themas im Fokus: Fußball wird hier queerfeministisch und postmigrantisch mit unterschiedlichen Formaten beleuchtet – denn Sport und Musik sind Teil kultureller Identität.«
Performativ und poppig wird es passend dazu mit Joana Tischkau und Elisabeth Hampes »Colonastics« und den dekolonialen (Anti-)Fitness-Workouts »Fit for Fans«, mit denen sie die Vereinnahmung Schwarzer Kultur durch die Fitnesslobby auf die Schippe nehmen und die Besucher*innen auch physisch zum Hinterfragen eigener kolonial geprägter Perspektiven animieren.
Pamela Owusu-Brenyah hat zudem den Berliner Verein CSV Afrisko, der aus dem 1. FC Afrisko hervorgegangene, erste afrikanische Fußballverein in der Bundesrepublik, eingeladen, ein besonderes interaktives Ausstellungsprojekt zu kuratieren. Das Projekt beinhaltet neben einer Foto-Ausstellung auch Gespräche sowie DJ-Sets mit Afro-Musik.
Für Owusu-Brenyah ist er Vorreiter in vielerlei Hinsicht: »Der CSV Afrisko ist der erste Ort, an dem afrikanischstämmige Kids und Erwachsene miteinander spielen und Verbindungen über den Fußball hinaus aufbauen konnten. Und was nur wenige wissen: Über den Verein hinaus besteht eine große aktive Community, aus der die ersten Afro-Partys überhaupt entstanden.«
Die Verquickung von Musik und Fußball ist auch das Motto der diesjährigen Neuauflage des »Karaokee Xpress« von gal sherizly, Như Huỳnh & MC Coach Trinity: Hier stehen unter anderem Fußballhymnen mit Stadionfeeling für das ultimative Gemeinschaftsgefühl auf der Songliste.
Nahe passfotoähnliche Aufnahme von Tuğba Tekkal. Sie hat schwarzes, lockiges Haar und braune Augen und schaut lächelnd nach links aus dem Bild. Die trägt ein blaues Oberteil, das unter einem schwarzen Blazer hervorschaut. Der Hintergrund ist ebenfalls blau.
Für die jesidische Menschenrechtsaktivistin Tuğba Tekkal sind wiederum Migration und Fußball eng verknüpft. Die ehemalige Profifußballerin und Gründerin der vielfach ausgezeichneten Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help e. V. und dem dazugehörigen Empowerment-Projekt »Scoring Girls« liest bei Pop-Kultur aus ihrer Autobiografie »Tor zur Freiheit«. »Can I Kick the Pay Gap?«, fragt die Sportjournalistin und Podcasterin Felicia Mutterer außerdem ihre Panelistinnen, zu denen unter anderem Saskia Wichert, Management & Communications Managing Director von Türkiyemspor, dem größten von Migrantinnen gegründeten Sportverein in Europa, gehört.
Cineastisch ist Fußball beim Festival ebenfalls ein Thema, zum Beispiel mit »Football Under Cover« von Ayat Najafi und David Assmann (2008), der das erste öffentliche Spiel der iranischen Frauennationalmannschaft überhaupt beleuchtet. Ein Film, der angesichts der Woman-Life-Freedom-Bewegung nicht aktueller sein könnte und diskursiv von der Koproduzentin Marlene Assmann-Khoueiry, der queer-aktivistischen Künstlerin Elnaz Farahbakhsh und der aus dem Libanon emigrierten DFC-Kreuzberg-Trainerin Nada Arbaj aufgegriffen wird. Aida Baghernejad moderiert.
»Can I Kick It? Yes, You Can!« ist Teil des Kultursommerfestivals Berlin 2023. Das Projekt ist ein Beitrag zum Kunst- und Kulturprogramm zur UEFA EURO 2024.
Drei Bilder nebeneinander gefügt, die Schwarze Frauen zeigen. Links Ria Boss schaut nach links oben aus dem Bild über ihre Sonnenbrille, die auf der Nase sitzt, hinweg. Sie trägt ihre schwarzen Haare zu Twists gedreht, ein schwarzes T-Shirt mit rotem auffälligem Schriftzug, goldene Creolen, eine bunte Kette. Der Hintergrund ist schwarz mit neonpinken, parallelen Leuchtröhren. In der Mitte der Fotocollage ist Fave auf einem monochrom rotbraunen Bild zu sehen. Sie blickt in die Kamera, trägt ein langärmeliges, enges Oberteil mit Cutouts am Schlüsselbein in derselben Farbe. Ihr roten Haare sind zu Double Buns am Oberkopf gestylt, die restlichen langen Haare fallen ihr über den Rücken. Sie trägt Glitzersteine in Katzenaugenform um beide Augen, goldene Creolen und eine silberne Kette, an der ein raffiniert gestaltetes großes Kreuz hängt. Ihre Lippen sind mit braunen Lipliner umrandet und geglosst. Fave posiert mit der rechten Hand zum rechten Ohr gehoben, dabei fallen ihre langen, bunt lackierten Fingernägel auf. Rechts ist Pamela Owusu-Brenyah von der Seite vor dunkelgrauem Hintergrund zu sehen. Sie trägt eine Oberteil mit weißen Ärmeln und schaut über ihre rechte Schulter in die Kamera. Ihre schwarzen Haare fallen über Brust und Rücken.
»Pop-Kultur Diskurs«
Im »Pop-Kultur Diskurs«-Programm mit mehr als 15 Talks, Lesungen und Filmscreenings stehen zudem beispielhafte Initiativen für eine vielfältige Musikbranche (»Leuchtturmprojekte für ein gerechteres Miteinander in der Musikbranche«), der Widerstand von Subkulturen angesichts imperialistischer Bestrebungen (»Eastern Responses in Pop & Art to Imperialism «) sowie Herausforderungen für afrikanische Pop-Künstlerinnen im Musikbusiness (»African Women in the Music Industry«) im Fokus. Der Pop-Kultur-Medienpartner Deutschlandfunk Kultur hat wiederum Gäst*innen eingeladen, um in einem Talk einerseits über kritische Männlichkeit im Pop zu sprechen und andererseits den Kulturpodcast »Lakonisch Elegant« zum Thema »Skandal und Moral in der Popkultur« mit Dieter Gorny (Musikmanager und Viva-Gründer), Samira El Ouassil (Kolumnistin, Podcasterin, Autorin) und Aida Baghernejad (Kulturjournalistin) live beim Festival aufzuzeichnen.
Zu »Pop-Kultur Diskurs« gehören außerdem eine Lesung von Fikri Anıl Altıntaş (»Im Morgen wächst ein Birnbaum«; moderiert von Miriam Davoudvandi) sowie ein Screening (Berlin-Premiere) und Q&A zum Spielfilm »Clashing Differences« von Merle Grimme – prominent besetzt mit Thelma Buabeng und Minh-Khai Phan-Thi -, der Diversitätsdebatten zwischen Tokenism und Empowerment verhandelt.
Verbindungen zwischen den Musikkulturen verschiedener Länder beziehungsweise die Wichtigkeit des transkulturellen Erfahrungs(aus)tausches sind die Inspiration für die Residencies des Musicboards Berlin. Beim Festival werden Augustus Williams & Souci (Detroit-Berlin Residency), Aka Kelzz & Ria Boss (Accra-Berlin Residency), Chrisman & Sara Persico (Kampala-Berlin Residency) sowie Jonas Schilling & Odelly (Tel Aviv-Berlin Residency) kollaborativ performen.
»Pop-Kultur Nachwuchs« & »Pop-Kultur lokal«
Für »Pop-Kultur Nachwuchs« ist die Bewerbungsphase abgeschlossen. Es wurden 250 Talente ausgewählt, die vom 30. August bis zum 1. September 2023 am Workshop-Programm teilnehmen und von denen einige auch bei der Nachwuchs-Eröffnungsveranstaltung öffentlich performen werden. Dazu passend steht auch die Auswahl der achten Goethe-Talents-Runde fest, für die erneut acht junge Musiker*innen aus verschiedenen Regionen der Welt ein Stipendium für eine intensive Arbeits- und Netzwerkerfahrung in Berlin erhalten, Abschlusskonzert in Berlin am 2. September 2023 im Acud Macht Neu inbegriffen.
»Pop-Kultur lokal« wird im August erneut auf das Festival im unkonventionellen Rahmen einstimmen: »Saturn Research Project«, ein gemeinsamer Pilot-Workshop von MAF und blk banaana lädt am 1. August 2023 in den Projektraum Zwitschermaschine im Kulturpark 3000 e. V. ein. Im Zentrum steht die Entwicklung radikal kreativer Ideen, der die gemeinsame intensive Beschäftigung mit Kunstwerken und Medien vorausgeht. Der an Jugendliche gerichtete Klang-Workshop »Night on Stage« von Rosa Anschütz und Lilo Ming Kiefer am 19. und 20. August 2023 im Jugendkulturzentrum Königstadt komplettiert das »Pop-Kultur lokal«-Lineup.