Als die Terrororganisation Hamas am siebten Oktober jüdische Menschen in Israel angriff und hunderte auf einem Musikfestival bestialisch ermordete, blieb es ziemlich still in der Berliner Clubszene. Merkwürdig, weil aufgrund des Massakers auf dem „Tribe of Nova“-Festival die Kondolenz Maschinerie eigentlich schnell hätte anrollen müssen. Jede heruntergefallene Bühnentraverse mit vier Verletzten sorgt sonst für sofortige Beileidsbekundungen. Die „Kultur“ hielt sich aber relativ bedeckt und in den sozialen Medien wurden deswegen mehr und mehr kritische Stimmen laut, die genau das hinterfragten.

Wo verdammt nochmal bleibt die Solidarität?

Zwei drei Tage später trudelten langsam Statements aus der Festivalszene rein. Die Livekomm und Clubkommission waren z.B. ab 9.10. am Start. (Wie wir auch…) Das Musicboard meldete sich zehn Tage später auf IG zu Wort. Just for the record… alles reine Lobbyorganisationen. Nicht die Clubszene selbst. Die hielt sich eher bedeckt, nur auf das ABOUT BLANK war wie immer Verlass. Aber ganz ehrlich: Beim Thema Ukraine war mehr Lametta.

Grundsätzlich muss sich ein Club nicht dazu dazu äußern. Man kann von Clubs oder Festivals nicht verlangen, zu jedem politischen Weltgeschehen Stellung zu beziehen. Ebenso so wenig wie man auf internationale Bookings, Awareness, gute Toiletten, Diversität, billiges Bier, Nachhaltigkeit oder vernünftige Eintrittspreise pochen kann. Es wäre ganz schön, ABER für die meisten Besucher bleiben sie auch ohne all das ein geliebter Platz zum Feiern. Soviel Augenhöhe mit der Realität sollte schon drin sein. Auch als „Anlagen für kulturelle Zwecke“ sind es immer noch mittelständische Betriebe in privater Hand (und aktuell ordentlich wirtschaftlichen Druck ausgesetzt.)

Was mir in den letzten Tagen sehr sauer aufstieß, waren zwei Musik Locations, die mir nur durch ihre „Förderung“ bei „NEUSTART KULTUR“ und „TAG DER CLUBKULTUR“ bekannt waren und als engagierte Läden, die für Diversität und Kreativität stehen, geadelt wurden. Refugee Worldwide mit der Oona Bar und die Tennis Bar, publizierten nur Posts, die sich einzig und allein auf das Leid der Palästinenser bezogen. WHAT THE FUCKING FUCK? Kein einziges Wort zu dem Massaker?

Das AL Festival zog wenig später nach und sagte den Termin im Festsaal Kreuzberg ab, der sich kurze Zeit zuvor mit einem Statement zu den Gräueln der Hamas auf Instagram gemeldet hatten.

Eine andere unfassbare Aktion waren die „Free Palestine from German guilt“ und „Stop the genocide“ Rufe während der „Not in my name“ Demo am Auswärtigen Amt in Mitte. Was in Neukölln bei den Demos gerufen wird, überrascht sicher niemanden mehr und war zu erwarten. Inklusive Böller und Barrikaden. Warum sollte dort was anderes gebrüllt werden als bei Al-Quds-Demonstrationen in Berlin-Charlottenburg? Same Shit. Nicht zu vergessen: Die 1. Mai Kundgebung wurde in den Vorjahren ebenso von „erlebnisorientierten unpolitischen Jugendlichen“ okkupiert, die einfach mal die Sau rausließen. Same Shit.

Am auswärtigen Amt hatten sich mehrere Hundert Menschen versammelt. Videos zeigten ein eher bunt gemischtes europäisches Publikum. Leute, die sich irgendwo als links sehen, aber trotzdem Palituch trugen. Und ganz sicher irgendwo ein kleines I’M A WOKE PERSON Tattoo hatten. Klingt jetzt gemein, aber ist nun mal so. Da war eine Szene am Start, die trotz des Massakers auf dem Festival in keiner Weise Solidarität mit der angegriffenen Partei, nämlich den Israelis zeigte, sondern einzig fokussiert war auf das, was nach einer Attacke von radikalislamischer Seite IMMER PASSIERT. Etwas, das seit Jahren immer wieder passiert: Hamas oder eine andere Terrororganisation begehen einen Anschlag. Israel antwortet mit einem Gegenschlag. Sobald dieser kommt, folgt ein großer Aufschrei wegen der Not der Palästinenser. Das ist ein, in diesem Konflikt immer wiederkehrendes Muster.

Die Kundgebung wurde laut Polizei jedoch direkt von der Veranstalterin beendet, weil sie keinen Einfluss auf die Teilnehmenden gehabt habe. Für alle, die hier rum lamentieren wegen Demoverboten: Wenn auf einer Demo verfassungsfeindliche oder gewaltverherrlichende Sprüche skandiert oder sonstige Dinge passieren, wie zum Beispiel eine zu hohe Lautstärke bei LautLKWs hat die Demoleitung die Möglichkeit, diese Probleme aus der Welt zu schaffen. Wenn sie dazu nicht in der Lage ist, übernimmt die Polizei. Also get your shit done… so simpel ist das.

Diese „Free Palestine from German guilt“ Rufe blieben auch nicht bei anderen unbemerkt.

Die israelische Botschaft schrieb dazu auf Twitter:

Free Palestine from German guilt? Wir haben verstanden, was ihre Version von „Nie wieder“ bedeutet: Sie möchten nie wieder mit der Realität und Erinnerung des Holocausts belästigt werden. Sie haben den Holocaust erfolgreich instrumentalisiert und dekonstruiert oder um es mit den Worten von Dr. Steffen Klävers zu formulieren: Sie haben Auschwitz dekolonisiert. Was man hier gestern in Aktion sehen konnte, erinnert unfreiwillig an die unter den Demonstranten verhasste Hufeisentheorie. Zu hören war die auf links gedrehte Variante des Gerede über den „Schlussstrich“, den „Schuldkult der deutschen“ oder den „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte. Hier soll eigentlich nicht Palästina von „der deutschen Schuld“ befreit werden, sondern die israelfeindlichen Teile des deutschen linksakademischen Milieus. Zusammen mit den Hemmungen sind alle Masken gefallen. Hier wurden die Früchte geerntet, die durch die in großen Teilen israelfeindlich gesinnte postkoloniale Theorie ausgesät wurden. Wohl bekomm‘s!

Berliner Zeitung:

„Vorm Auswärtigen Amt wurde zuletzt lautstark „Free Palestine from german guilt“ gerufen, als hätten die Protestierenden zuvor an einem Workshop über deutsche Erinnerungspolitik teilgenommen. Die Botschaft ist an geschichtsklitternder Obszönität nicht zu übertreffen. Sie ist an eine alternde Kerngesellschaft adressiert, die sich, bitteschön, von ihrer historischen Last befreien möge: die deutsche Verpflichtung, sich zur Geschichte des Holocaust zu bekennen.“

Oh, noch fix ein paar Selbstverständlichkeiten, damit sich niemand genötigt fühlt, diese extra zu erwähnen:

  1. Jüdische Israelis können nur in Sicherheit und Freiheit leben, wenn auch Palästinenser in Sicherheit und Freiheit leben.
  2. Die Mehrheit der Israelis fühlt sich von der derzeitigen israelischen Regierung nicht repräsentiert.
  3. Israelis konnten auch schon vor dem 7. Oktober in Neukölln nicht einfach hebräisch sprechen oder gar mit Kippa rum rennen.
  4. Auch viele Israelis kritisieren die Politik Netanjahus und die Expansion.
  5. Benjamin Netanjahu ist genauso ein Arschloch wie Viktor Orban oder Donald Trump.
  6. Sadistisches Morden hat nichts mit Dekolonialisierung zu tun

Wenn wir uns in Deutschland die letzten drei Jahre wegen Corona so unversöhnlich gegenüber stehen konnten, wie schwer muss es erst Palästinensern und Israelis fallen, aufeinander zuzugehen? Ehud Barak sagte dazu am Freitag: „Solange es die Hamas gibt, kann Netanyahu immer behaupten, man könnte mit den Palästinensern nicht verhandeln.“ Solange die Hamas die Regierung im Gazastreifen stellt, wird es also keinen Frieden geben. Zeit für Neuwahlen?

Weitere UPDATES aus der Berliner Clubszene:

Codex Club

„we will stand united against the genocide by Israel and its western friends, for the freedom of the Palestinian people and raise our voice in unconditional support for the oppressed.“

Slightly Conscious Monkeys (SC*M) / Queer solidarity collective based in Berlin

Aatma Berlin

Trauma Bar & Kino

Ein wirklich unschönes Fundstück ist dieser Post der Musikszene in Tunesien. Music is wohl nicht the answer…

The local music scene of Tunisia expresses its unconditional and strong support for the Palestinian people. All our prayers go out to the families and individuals who have lost their lives over the decades. We strongly condemn all forms of injustice and violence against Palestine, not only since 2023 but since 1947. We are against the expansion of the Zionist apartheid ’state‘ of Israel, which seeks to acquire more land and commit further genocides and war crimes against the Palestinian people. We believe that ALL of Palestine should be free from the river to the sea.