Es ist schwer vorstellbar, dass ein so sinnliches und farbenreiches Album, das jede Zelle deines Körpers mit Energie zu besetzen versucht, eine Reaktion ist auf den Verlust eines Menschen durch Sterbehilfe. „Feel Better“, das dritte Album des Elektro-Pop-Projektes Odd Beholder der Musikerin Daniela Weinmann, entsteht kurz nachdem Danielas Großvater sich im Rahmen des Programms EXIT das Leben nimmt.* Das daraus resultierende Material ist ein Versuch, die Geister der Trauer zu vertreiben und die kulturellen und familiären Mechanismen zu erforschen, die zu seinem vorzeitigen Abschied führen. In Danielas eigenen Worten: „Dies ist das Album, auf dem Odd Beholder in der Zeit zurückreist, zurück in diese Kleinstadt, um sich mit den Umständen zu stellen, die sie zu der gemacht haben, die sie heute ist. Es ist eine Coming-of- Age-Geschichte, eine Entstehungsgeschichte.“

Während sie am Album arbeitet, postet Daniela ein Statement auf ihren Social-Media-Kanälen, in dem sie erklärt: „Lieder schreiben sich in gewisser Weise selbst, und sie lassen sich nur bis zu einem gewissen Punkt kontrollieren.“ Den Prozess beschreibt sie als einen Akt der Übersetzung, bei dem die größte Herausforderung in der nötigen Disziplin besteht, „der Musik und den Worten zu erlauben, so zu kommen, wie sie kommen.“ Das Ergebnis gehört zum aufrichtigsten und emotionalsten Material im OEuvre Odd Beholders, untermauert von einer fesselnden Mischung von geradezu körperlicher Musik. Da ist etwas Shoegaze zu hören, Electro-Pop, New Wave und Techno; zusammen wird es zu etwas komplett Seltsamen und ganz und gar Beholder-eskem. Unnötig zu erwähnen, dass das ganze Material in einem Schwung entsteht. Aufgenommen wird es dann wieder in Berlin zusammen mit Douglas Greed.

„Feel Better“ ist als Album mit der Logik eines modernen Romans im Hinterkopf entworfen – eine nichtlineare Reihe von Vignetten, die mosaikhaft das Leben der Hauptfigur zusammensetzen. Die Handlung spielt in den Neunzigerjahren in einer kleinen Provinzstadt in der Schweiz. Einem Ort voller Schläger, Blaskapellen und Spanner (Rifle Club). Wo die Erzählerin nach jedem Familientreffen denkt, sie sei eine Verliererin, ein Freak (Dogs Like Me). ‚Woolen Sweater‘ zeichnet das Porträt einer Familie, die auf den Tag einer begleiteten Suizidprozedur wartet: „We could hold hands and say nothing together, you look so thin inside your woollen sweater.“

‚Insecurities‘ wiederum erzählt von Liebe, die mit allerlei Unbehagen und Ängsten verwoben ist: „I’ve always been but an awkward dreamer.“ ‚Dirty Secret‘ vermittelt brutale Lektionen, so wie sie nur die Liebe lehren kann: „Will expose you, teach you how to cry, and tell you all your dirty secrets.“ In ‚Just Because I Regret It‘ erfahren wir, dass etwas zu bedauern nicht unbedingt bedeutet, es nicht doch immer wieder zu tun. ‚Patchwork Girl‘ untersucht, wie die Gesellschaft den Körper einer Frau als Projektionsfläche für alle möglichen Ängste nutzt: „A man like Frankenstein just wasn’t able, to love his ugly daughter how he loved his ugly son.“

‚Then You Forgive Me‘ am Anfang des Albums spricht über emotionale Co-Abhängigkeit und die Kunst der Manipulation: „First, you taught me how to blame myself, then you forgive me.“ Und es endet mit einem ‚Stupid Walk‘: ‚Healing takes more time than you have thought. Please just try to listen to your heart. You might wanna take a stupid walk in the park, your friends are wondering why you’re missing.‘ „Feel Better“ ist ein Album über den Mut, die eigenen dunklen Räume zu erforschen, um endlich weitermachen und ein Leben nach den eigenen Vorstellungen führen zu können! „Feel Better“ von Odd Beholder erscheint am 1. Dezember 2023.

/// ARTIST INFO
Odd Beholder ist das Electro Wave / Indie Pop – Projekt der Schweizer Musikerin Daniela Weinmann, mit dem sie präzise und lakonisch die Merkwürdigkeiten, Schatten und Missverständnisse unserer Zeit protokolliert. Weinmann erzählt von Entfremdung und Eskapismus, von Emanzipation und dem Blick auf eine mögliche bessere Welt. Ihre Version umarmender, dunkler Popmusik setzt sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinander, um gleichzeitig Trost zu spenden.

Auf dem Debütalbum “All Reality Is Virtual” dreht sich alles um Digitalisierung – bedingungslose Erreichbarkeit und gnadenlose Transparenz bei gleichzeitiger Isolation – und wie wir trotzdem zu uns selbst und zu einander finden. Auf ihrem zweiten Album „Sunny Bay“ thematisiert Weinmann wiederum das Thema Natur bzw. die romantischen Vorstellungen und Existenzängste, die wir in die Natur projezieren.

Zuvor veröffentlicht Odd Beholder zwei EPs – „Lighting“ (2016) und „Atlas“ (2017). 2018 erscheint zudem die EP „Remixes“, zu der Künsterinnen wie The/Das, Fejka und Hundreds ihre Werke beitragen. Im Frühjahr 2023 erscheint die Collab-EP «Lost in Communication» die Weinmann zusammen mit dem Songwriter Long Tall Jefferson aufgenommen hat und die von der ProHelvetia im Rahmen eines Covid- Stipendiums gefördert wird. Beide laden in den dazughörigen gemeinsamen Podcast verschiedene Schweizer Songwriterinnen ein (Zeal & Ardor, Evelinn Trouble, Leoni Leoni, Phil Hayes etc.), um aktuelles Schweizer Songwriting zu dokumentieren und den verschiedenen Ansätzen zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.


Odd Beholder sucht immer wieder die Nähe zum Film, für Weinmann ist der visuelle Ausdruck ein essentieller Bestandteil. Der Videoclip zur Single „Landscape Escape“, gedreht von den Berliner Filmemachern Grambow & Kirchknopf in Zusammenarbeit mit der Aserbaidschanischen Social & Modern Dance Association, gewinnt den Jurypreis des „Best Swiss Video Clip“-Awards 2017. Im Jahr 2019 dreht Weinmann mit der Performance-Künstlerin Ernestyna Orlowska und der interdisziplinären Belgisch- Schweizerischen Tänzerin und Choreografin Annalena Fröhlich. Umgekehrt wird Musik von Odd Beholders Songs oft in Filmen verwendet. Der Song «Landscape Escape» etwa steht an zentraler Stelle im Film „Mario“ von Marcel Gisler, der sich mit dem komplizierten Umgang mit Homosexualität in der Welt des Fußballs beschäftigt.

Odd Beholder wird zu wichtigen Festivals wie Great Escape (UK), Eurosonic (NL) oder Reeperbahn Festival (DE) eingeladen, tourt in China, Italien, Deutschland und der Schweiz und wird von dem Hamburger Pop-Duo Hundreds sowie von den Berlinern Bodi Bill zur Begleitung ihrer jeweiligen Tourneen explizit als Support gewünscht.

Weinmann ist Mitbegründerin von Music Declares Emergency Switzerland, einer politisch unabhängigen Initiative aus Künstler*innen und allgemein in der Musikindustrie tätigen Menschen, die sich branchenspezifisch für Klimaschutz einsetzt und Reaktionen auf den Klimanotstand erarbeitet. Im Jahr 2023 führt Weinmann Regie für einen Dokumentarfilm, der Sinn und Unsinn von verschiedenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen von Schweizer Festivals untersucht.