Was war die Anfangsidee der Georgia Bar?
Anfangs war die Idee für die Bar die Weiterführung einer anderen Bar in Mitte, zu versuchen den Spirit einzufangen und vielleicht auch ein paar der Leute, die damals dort Stammgäste waren und das nach fast sieben Jahren. Im Prinzip war das King Size der Vorgänger. Als es gegründet wurde von Stefan Landwehr, Boris Radzun und Conny Opper hat Frank Künster dort zum Anfang an der Tür gestanden Dann gab es irgendwie Stress mit einer Anwohnerin und Frank hat später selbst noch mal als Betreiber aufgemacht.
Das war schon die Idee, den Leuten wieder so einen Raum zu bieten, wo ähnliche Sachen möglich sind, wie im Kingsize. Natürlich muss man dazu sagen, dass King Size war winzig. 60 Quadratmeter inklusive Bar, Toiletten und DJ Kanzel und der Laden teilweise deswegen unglaublich voll. Aber er hatte eine bestimmte Stimmung, also das war halt so… die Leute wussten, sie kommen rein und können im Prinzip komplett durchdrehen und sich fallen lassen, weil Frank natürlich auch dafür gesorgt hat, dass es da drinnen geht. Du wusstest halt, ich geh da rein und der Verstand wird an der nicht existierenden Garderobe abgegeben und dann geht’s dort ab. Sowas Ähnliches hat uns für den Laden vorgeschwebt.
Natürlich war uns klar, dass du nach 6-7 Jahren sowas nicht klonen kannst, und was anderes machen musst, weil in der Zeit entwickeln sich auch die Leute weiter, ein Teil von denen geht wahrscheinlich gar nicht mehr weg, weil die inzwischen Kinder haben oder zu alt geworden sind und neue kommen nach. Aber so die Idee was Ähnliches zu kreieren, war der Hintergrund fürs Georgia.
Warum Frank und wie kamt ihr hierzu?
Ich kenne Frank seit 1994, seitdem er angefangen hat, damals im Delicious Donuts an der Tür zu arbeiten. Nächstes Jahr feiern wir unser 30-jähriges Jubiläum und wir sind eng miteinander befreundet. Wir hatten damals, als das Kings zugemacht hat, beide gesagt, dass wir den nächsten Laden zusammen machen wollen… und dann hat es ganz schön lange gedauert. Ich hab irgendwann angefangen eine Location für uns zu suchen.
Ein paar Sachen waren für uns von Anfang an klar: Erstens, wir wollten in der Lage bleiben, das heißt, also im weitesten Sinne ein bestimmter Teil von Mitte, irgendwas zwischen Torstraße Rosa-Luxemburg-Platz und maximal bis Gegend zum Borchardts auf der anderen Seite. Zweitens war noch wichtiger: Wir wollten eine Location finden, wo wir das machen können, was im King Size früher ging: Nämlich laute Musik!
Letzten Endes hab ich dreieinhalb Jahre lang eine Location gesucht. Irgendwann habe ich das hier gefunden, weiß nicht mehr wie genau. Entweder bin ich hier dran vorbei geschlendert und hier stand „Zu vermieten“ dran oder vielleicht tauchte es auch bei Immobilienscout auf. Hier war es halt so, dass Lärmbeschwerden aufgrund der Lage überhaupt keine Rolle spielen.
Du bist hier unter einer S-Bahnbrücke. Die Mauern sind hier teilweise einen halben Meter dick. Rechts und links sind halt Uni Gebäude. Auf der einen Seite ist die Bibliothek von der Humboldt-Uni und auf der anderen Seite, was mich immer wieder jeden Tag aufs Neue amüsiert ist, ist das Institut für Rehabilitationswissenschaften, also von unserem Haupteingang ungefähr 5 Meter entfernt. Das heißt also von hier bis zur Rehab, das wirst du in ungefähr fünf Sekunden schaffen.
Und der Laden war im Prinzip leer. Klar, die hatten hier vorher noch die andere Toiletten drin und nen bisschen anderes Zeug, aber im Prinzip war hier nichts drin, insofern gab es auch keinen Abstand und gleichzeitig die Möglichkeit dich hier, was die dann letztlich die Gestaltung des Ladens betrifft, von Anfang an auszutoben, also, du konntest wirklich dein eigenes Ding hier reinschrauben. Dann hat es tatsächlich noch 18 Monate gedauert vom Unterschreiben des Mietvertrags bis zur Eröffnung, weil sich diese Baugeschichten hier elend lange verzögert haben aus diversen Gründen und Ende des Monats, ich glaube am 24 November ist unser erster Geburtstag.
Wie lief der Gang zu den Behörden? Wo gab es Probleme?
Was die Sache hier wirklich erschwert ist, das es tatsächlich eine S-Bahnbrücke ist, wo Züge und S-Bahnen drüberfahren und dass es deswegen ganz besondere Auflagen gibt. Vor allem Hinweise auf Schäden was die Statik betrifft, das heißt, du darfst hier keine Wände verschalen, weil die hier jederzeit sehen können müssen, ob sich hier irgendwo ein Riss bildet. Tapete auf die tragenden Wände machen und Rigips sind ebenfalls nicht erlaubt. Das macht bestimmte Sachen schon kompliziert. Ansonsten gab es von gewerblicher Seite nix, das mir groß aufgefallen wäre.
Wann habt ihr geöffnet und wie lang gehts bei euch?
Wir haben ursprünglich Donnerstag Freitag Samstag geöffnet und seit der letzten Woche den Mittwoch dazu genommen, wobei es auch gelegentlich Veranstaltungen an anderen Tagen gibt, Art Week oder Berlinale oder Silvester, das dieses Jahr auf einen Sonntag fällt. Wir öffnen aktuell um 22 Uhr, das längste, dass wir jemals hatten was tatsächlich an einem Freitag, da ging es bis morgens um 8 Uhr. Üblicherweise Freitag und Samstag bis sechs. Aber wir wollen ja auch kein Afterhour Laden werden. Im Kingsize war es so, dass in der Regel so gegen 7 Uhr der Kollege Künster durch den Laden gelaufen ist mit dem, inzwischen zu einem Buchtitel arrangierten, Spruch: „Nutzloses Gesindel auch für euch ist jetzt hier Feierabend.“ Die Bar entscheidet letztlich. Wenn keiner mehr trinkt, ist auch schon um 5 Uhr mal Schluss.
Was macht denn gutes Barpersonal aus und seid ihr auch vom akuten Persanalmangel betroffen?
Die zwei wichtigsten Sachen sind, dass sie ihren Job verstehen. Wenn jemand nicht in der Lage ist, nen ordentlichen Cocktail zu mixen und der schmeckt Kacke, dann fällts dem Publikum ja auf. Wir sind hier in Mitte und arbeiten mit ordentlichen Produkten. Wir müssen natürlich bestimmte Preise nehmen, also nicht wie in ner Neuköllner Studentenbar. Du musst hier aufgrund der Mietpreise einafch andere Preise nehmen, wobei wir auch nicht die Teuersten sind. Das Zweite ist: Sie müssen schnell sein. Wenn wir den Laden voll haben, dann müssen die Leute an der Bar fit sein, damit die Gäste nicht ewig auf ihre Drinks warten. Wir hatten tatsächlich überhaupt kein Problem unser Personal zu finden, auch aufgrund der Bekanntheit von Frank. Wir haben Kollegen übernommen, die früher im King Size gearbeitet haben und die Leute sind fachlich alle super fit. Ebenso haben wir Leute aus der Odessa Bar übernommen. Also ganz im Gegenteil… uns fragen ständig Leute, ob sie hier arbeiten können.
Wie hoch ist der Touri Anteil?
Kann ich dir gar nicht sagen. Ich vermute, dass der hier geringer ist als z.B. in den Läden auf der Torstraße, weil wir hier auch, wenn wir nur 100 Meter von der Friedrichstraße weg sind, läuft hier normalerweise niemand vorbei. Wir haben tatsächlich so gut, wie überhaupt keine Werbung gemacht. Dieses Ding war wirklich von Anfang an Selbstläufer. Innerhalb von einer Woche hat sich das durch Berlin-Mitte wie ein Lauffeuer verbreitet. Ein paar Leute wussten, dann schon zwei Monate vorher Bescheid, und haben mal so geguckt. Der Eröffnungsabend hier war brechend voll und draußen vor der Tür standen noch 300 Leute. Insofern war Werbung nicht nötig. An bestimmten Tagen so am Donnerstag und Mittwoch ist sicher noch Luft nach oben, die werden auch nie so voll, weil es auch noch Leute gibt, die unter der Woche arbeiten müssen, selbst in Berlin.
Wird an der Tür aussortiert und wenn ja warum?
Die Tür ist schon streng. Wir haben inzwischen reichlich Stammgäste, und wir haben nen Türsteher „Korbinian“ der auch früher z.b. in der Odessa gestanden hat, das heißt, der kennt natürlich inzwischen seine Pappenheimer und hat auch einen guten Blick dafür. Die wichtigste Aufgabe des Türstehers ist, wie Frank immer sagt: „die Aufrechterhaltung des paritätischen Geschlechterverhältnisses.“ Wir versuchen schon darauf zu achten, dass wir ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen haben. Der Hintergrund ist einfach. Wenn Männer in eine Bar gehen, finden die es angenehm, wenn nicht 70% Männer sind und umgekehrt ist es bei Frauen genauso, die finden es auch kacke, wenn 70% Jungs drin sind, weil sie dann nämlich ständig vollgelabert und angebaggert werden. Wenn also eine Gruppe von fünf Jungs ankommt stehen die Chancen sehr sehr schlecht und zwar selbst bei Leuten, die wir kennen. Ansonsten…. ob die hier grün gelb rosa sind, welche sexuellen Präferenzen die haben und aus welcher Ecke des Globus die kommen ist, ist relativ Wurst die müssen halt sozusagen passen, aber das ist ja jedem Laden so, ob nun Kater, Berghain oder Renate.
Was ist besonders an der Georgia Bar und was macht speziell die Faszination der Nacht aus, ihr öffnet ja erst um 22 Uhr.
Das King Size hat auch erst um zehn aufgemacht. Die Leute kommen hier weniger her um sich an die Bar zu setzen und in Ruhe einfach nur zu trinken. Bei uns wird es ja durchaus ein bisschen lauter und voller. So viel früher gehen die Leute auch nicht weg. Wenn die um 10 Uhr aufmachen und um 11 Uhr fängt der DJ an zu spielen… erfahrungsgemäß fühlt sich der Laden erst so gegen Mitternacht. Würde nicht viel Sinn machen, hier noch früher zu öffnen, dann stünde der Laden zwei Stunden leer.
Wenn die Georgia Bar auch DJs hat, wer macht denn das Booking? Woher kommen die DJs?
Ich. Viele DJs kennen wir schon, die haben bereits im King Size aufgelegt. Andere Leute kannte ich einfach vom Sehen. Ich war jetzt nicht so der Club Experte aber ich hab in meinem früheren Leben knapp 20 Jahre als Musikjournalist fürs Radio gearbeitet. Auch wenn das musikalisch eher andere Sachen waren, habe ich gelegentlich auch Klub Sachen gemacht. Ich war damals der Haupttyp für Interviews aufgrund meines Studiumhintergrunds als Dolmetscher und hab also neben diesen Alternative oder Indie Rock Geschichten, das waren so Sachen wie Oasis, Nirwana, Blur, Pulp eben auch Underworld, The Streets oder irgendwelche Warp Geschichten interviewt. Es gab aber auch relativ schnell ganz viele Leute die sich hier beworben haben. Die höre ich mir dann auf Soundcloud an. Der Rest sind Empfehlungen von befreundeten bekannten DJs. Da höre ich vielleicht kurz mal ein, aber kann eigentlich sicher sein, dass es schon Hand und Fuß hat. Unser Problem ist nicht Leute zu finden, die auch spielen, sondern mein Problem als Booker ist, das wird so unglaublich viele Anfragen haben, dass ich überhaupt gar nicht weiß, wie ich die alle unterbringen soll und ständig halt Leute irgendwie vertrösten muss. Wir könnten hier auch sieben Tage in der Woche geöffnet haben und ich würde trotzdem nicht annähernd alle Leute hier unterbringen können, die die bei uns regelmäßig spielen wollen.
Was glaubst du ist die Faszination für DJs hier aufzulegen?
Ich kann dir wieder geben und was die DJs sagen: „… dass die Räumlichkeiten wirklich sehr angenehm sind, das die Anlage für so einen kleineren Rahmen, also 150 Quadratmeter sehr gut ist…“ und sie finden vor allem das Publikum sehr gut. Optisch sicher über dem Durchschnitt :-). Ich komm hier manchmal rein und denke: Oh, ist schon wieder Fashion Week? Und die Leute sind hier sehr flexibel. DJs finden es erstaunlich was für ein breiten Bogen man hier schlagen kann. Wir machen hier natürlich nicht Techno, ich sag mal bei 130 BPM ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Wir bewegen uns zwischen 118 und 125 und wir sind eher housig und so bei Indiedance Kram aber DJs haben hier auch morgens um 5 Uhr schon ne alte Techno Nummer rein geschossen und die Leute machen fast alles mit. Du musst natürlich dein Set ordentlich zusammenschrauben, dass es passt, denn du hast hier 6 bis 7 Stunden Playtime. Aber zweistündige Intros gehen auch nicht, weil um spätestens 23.30 Uhr der Laden voll ist und die Gäste wollen steil gehen. Dann musst du den DJs auch mal sagen: „Jetzt ist mit 115 BPM und Down Beat malvorbei.“ Du musst die dann relativ schnell packen damit die auch bleiben, sonst gehen die unter Umständen wieder und schnell reagieren. Aber die Gäste sind super dankbar und die DJs wiederum sind superdankbar, dass das Publikum so dankbar ist. Da kommen DJs zu mir und sagen: „Das ist die geilste Party seit 10 Jahren!“ und ich denke mir: „Hmm war der nicht grad zwei Wochen in Tulum oder so…“
Was hast du vorher gemacht?
Steve, Jahrgang 64, gebürtiger Ostberliner. Ab Ende der 80er ungefähr 20 Jahre Radio gemacht. Von 1988 bis 2007. Hauptsächlich Musikjournalismus. Angefangen hab ich bei Radio Berlin International als Aufnahmeleiter. Bin dann bei DT64 gelandet und noch ne Zeitlang nach Halle umgezogen mit MDR Sputnik, was das Nachfolgeprogramm war. Habe dann ganz lange frei hauptsächlich für Fritz Radio gearbeitet und da mit meinem Kollegen Martin Petersdorf knapp um die 15 Jahre lang den Soundgarden am Donnerstag gemacht. Als es da vorbei war, weil wir wohl zu alt wurden und für uns kein Platz beim Programm für Erwachsene war, habe ich mich gastromäßig zweimal versucht. War so suboptimal aus diversen Gründen. Und danach kam das hier. Mir war auch relativ klar, dass ich auf klassische Gastro, also sprich alles was mit Küche zusammenhängt keinen Bock mehr habe. Das war dann im Prinzip auch der Punkt wo ich schon mit Frank beschlossen hatte, dass wir den nächsten Laden zusammen machen und mir war auch klar, ich mache das auch nur mit Frank zusammen, weil A. alte Freunde und B. wenn du nen Laden zusammen mit Frank aufmachst, ist die Wahrscheinlichkeit gegen 100% das es tatsächlich funktioniert. Frank war da deutlich skeptischer. Das es aber so komplett durch die Decke geht, damit hatte ich nicht gerechnet, aber dass die Bar sich von Anfang an und trägt war mir mehr klar als Frank.
Wir danken für das Gespräch.