Wie bist du dazu gekommen, das zu tun, was du tust?

Daniel: Ich treffe schon seit Jahren auf Tour immer wieder interessante Artists, die kein Label haben und auch keiner Szene angehören. Für ein paar von denen wollte ich ein Zuhause schaffen. Auch für mich und vor allem meine kleineren Projekte war es immer schwierig, eine Plattenfirma zu finden. Daher schließt sich der Kreis für mich, wenn ich auch eigene Projekte auf Ghost Palace Records veröffentlichen kann.

Anfang der Nuller Jahre hatten wir schon eine Art Label, das wir nie als Label sahen, aber letztendlich war es das: eine Mischung aus Label und Szenevernetzung.

Wann kam die erste Idee, das Label zu kreieren?

Als mich der Regisseur Wim Wenders 2019 fragte, ob ich sein Label wiederbeleben könnte, dachte ich, nun ist der richtige Zeitpunkt gekommen, sondern ich auch meine Projekte und die von befreundeten Artists veröffentlichen könnte. Wir bauten die Struktur auf und letztendlich wurde es für ihn dann doch zu zeitaufwändig, involviert zu bleiben und ich machte alleine weiter.

Nenn ein paar Statistiken, wann das Label erstellt wurde, wie viele Releases, wie viele Vinyls und wie viele Pakete/Pakete haben wurden versendet?

Gegründet und strukturiert mit Cargo als Vertrieb wurde es 2019, dann kam 2020 der Release des Solitarity Albums, das 5 Artists finanziell durch die ersten Covid-Monaten brachte. 2021 haben wir es dann „Ghost Palace Records“ genannt. 2022 und 2023 kamen wir auf 7 Releases. 2024 kam dann die Idee, dass wir uns auch verstärkt um digital Releases kümmern müssen, vor allem um die Vinyls noch besser zu promoten. Und die Idee der Artist Society, von der wir ein anderes Mal detaillierter erzählen.

Aus welchem Land kommen die meisten Käufer?

Das ist zum Glück Artist-abhängig. Für Mummy’s A Tree in ihrem Heimatland Niederlande und in Deutschland. Für Devin Heat und Vincent Von Flieger in Deutschland.

Jules Maxwell hat außer in England, wo er lebt durch seine Umtriebigkeit auch gute Verkäufe in Ländern wie Griechenland, Polen oder Portugal, wo er auch mit Lisa Gerrard erfolgreiche Tourneen spielt.

Auf welche Veröffentlichung bist du am meisten stolz?

Schwierige Frage, stolz bin ich auf alle. Besonders sind auch alle, weil ich mich immer freue, wenn Leute mit uns arbeiten wollen. Natürlich ist es sehr emotional, seine eigene Platte auf dem eigenen Label veröffentlicht zu sehen. Und mit einem so renommierten Künstler wie Jules Maxwell zu arbeiten, wo sich plötzlich Türen öffnen, weil er so angesehen ist, ist auch eine schöne Erfahrung. Stolz bin ich aber vor allem auf das was noch kommt.

Kannst du beschreiben, was ein typischer Büroalltag für dich bedeutet?

Morgens so effektiv wie möglich To Dos abarbeiten, vor allem Emails, Listen und Recherche, wenn es geht nur 2 Stunden täglich. Und dann, nachdem der Rest des Arbeitstags der Kunst gewidmet wird, freue ich mich auf die Abende, wo wir uns (wie ein Dorfverein) treffen und gemeinsam weiterarbeiten und philosophieren. Das macht natürlich besonders Spaß. Immer öfter muss ich auch 8 – Stunden Tage einschieben, um noch hinterherzukommen, aber das ist ja ein gutes Zeichen. Aber da wir ein dreiköpfiges Team sind, werden die Arbeiten, die dahinter steckt, aufgeteilt. Toni zum Beispiel macht das neben seinen Hauptberuf und investiert unfassbar viel Energie für uns als Ganzes. Das ist schon bewundernswert da sein Job auch zeitintensiv ist. Das gleiche gilt natürlich auch für Gordon. Das Label und die Homepage macht Toni in Erfurt, die Bookingagentur Gordon in Berlin und aktuell kommen noch andere Leute dazu für Promotion, Social Media und Design/Video. Die Artists helfen ja auch mit wo sie können. Das ist Teil der Idee.

Wer macht mit? Produzierst du selbst auch oder bist DJ?

Ja, ich produziere auch, bin z.B. aktuell an drei Alben als Produzent beteiligt. DJ bin ich eher selten. Mein eklektischer Mix ist eher ein Dancefloor – Killer aber Spaß macht es mir trotzdem…

Welche Vertriebswege nutzt du?

Cargo, weltweit, analog und digital. Dazu haben wir unseren eigenen Mailorder, den Toni grade aufbaut und den wir hoffentlich bald auch anderen Artists anbieten, zum Nonprofit-Deal, also ein virtueller Merchstand wo die Artists 100% für ihre Ware bekommen.

Wie stark nutzt du youtube und was hat es gebracht?

Daran arbeiten wir grade. Noch nicht sehr und somit hat es auch noch nicht sehr viel gebracht.

Schon mal bei klickzahlen auf soundcloud nachgeholfen?

Nein, das lassen wir lieber mal bleiben. Dann wissen die Leute wenigstens woran sie sind.

Wo findest du junge hungrige und ambitionierte artists?

Das ist eine gute Frage. Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, wie viele junge Artists das eher als Hobby machen wollen. Ist natürlich legitim und vermutlich auch vernünftig, aber viele wollen gar nicht mehr richtig auf Tour gehen oder hoffen, dass „mehr“ draus wird. Ich respektiere das, aber da mach ich auch gleich zu, denn solche Artists brauchen kein Label.

Die meisten finden wir demnach auf Tour und wir werden auch oft angeschrieben.

Welche Auswirkungen hat Streaming mit Spotify auf die wirtschaftliche Lage eines Indie-Labels?

Wenn wir es als eine Art „Radio“ sehen, wo Leute Musik entdecken, ist es ein gutes Promotion Tool.

Wie unfair es ist, dass Leute die Musik die sie dort konsumieren nicht mehr kaufen ist zum Glück weithin bekannt. Aber es macht keinen Sinn mehr, das Spotify in die Schuhe zu schieben, auch wenn sie der Teufel sind. Denn die Hörerinnen die keine Alben mehr kaufen sind ja diejenigen, die uns das Geld, das uns zusteht vorenthalten. Muss man auch ganz ehrlich sein, oder? Die Hörnerinnen des Teufels haha.

Ihr könnt den Unterschied machen. Natürlich ist es total legitim, sich Musik erstmals anzuhören und wenn man sie nicht mag muss man sie auch nicht kaufen. Aber wer Musik, die sie/er öfter hört nicht auch kauft, ist Täter*in und es ist Verschleierung der eigenen Mitschuld, auf Spotify zu schimpfen.

Wenn du nach neuer Musik suchst, was sind Schlüsselelemente und Faktoren, nach denen du suchst, abgesehen davon, dass es offensichtlich ein großartiger Track ist?

Erstmal geht es mir tatsächlich nur um die Musik. Das kommt davon, dass ich selbst komponiere und mir das wichtiger ist als alles. Sogar als Musik SPIELEN. Für andere geht es um andere Dinge: Lebensgefühl, Mode, Texte, Visuelles, Virtuosität etc. Alles super, aber das kommt bei mir an zweiter Stelle. Zum Glück habe ich Leute die mich da beraten und ich schau natürlich auch ob sich eine Platte potentiell auch verkaufen lässt. Selbst wenn es nur 10 potentielle Käufer*innen gibt, veröffentlichen wir ja nur Musik, die uns unique erscheint.

Wie würdest du den Stil und die Vision des Labels beschreiben?

Der Stil ist eigentlich Post Punk, wobei damit ja nicht das gemeint ist, was Leute als „Punk“ sehen, nämlich laut und dreckig. Das kann es auch sein, aber jemand wie Steve Reich ist ja auch Post Punk, es geht vorrangig um Innovation, darum nicht stehen zu bleiben, sein/ihr Ding zu machen und kreativ zu sein. Und wenn ein Mensch mit Piano wie Mark Hollis, Kate Bush oder Jules Maxwell mit Sanftheit rebellischer ist als ne millionenschwere, laute und langweilige „Punk“-Band, ist er der echte Punk. Solche Leute suchen wir.

Die Vision kommt vor allem aus der Frage: wozu braucht es in der heutigen Welt überhaupt ein Label?

Zum einen weil wir Hoffnung und Optimismus schaffen wollen, dass es wieder interessanter und fairer wird mit der Musikszene. Zum anderen definieren wir klar diverse Alleinstellungsmerkmale:

Erstens sind wir Nonprofit, d.h. wir betreiben das Label als ein Hobby, wie ein Sportverein, wo man sich ehrenamtlich engagiert. Die Artists bekommen dadurch 100% der Einnahmen.

Zweitens sind wir international und vernetzen uns immer besser. Dadurch werden wir stärker und unabhängiger und erreichen mehr Leute. Außerdem versuchen wir mindestens einmal Jahr unsere „Ghost Palace Label Night“ zu organisieren. Das hat jedes mal unfassbar gut geklappt. Zum einen in Berlin im Schokoladen und in anderen Städten wie zum Beispiel in Erfurt und Nürnberg.

Welche Seiten oder Apps benutzt du, um neue Tracks anzuhören/zu finden?

Ich lass mir MP3s schicken oder schau mir Videos auf Youtube an.

Für die Produzenten da draußen, die ihre Demos per E-Mail einsenden, welche Tipps würden du ihnen geben, wenn sie ihre Tracks schicken?


Am besten kurz vorher fragen, wie wir die Tracks wollen.

https://ghostpalacerecords.com/
https://www.instagram.com/ghostpalacerecords/