Auf der „Berlin ist Kultur“ Demo gab es heute getragene Chor Musik. Mich erinnerte das ein bisschen an den 7. Oktober 1989 und die offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der Republik. Da war die DDR längst durch, es wollte nur keiner wahr haben. Die Demo brachte viele Vertreter der Hochkultur auf den Platz – darunter Ensembles, Opernhäuser, Theater und Museen. Katharina Thalbach hielt eine interessante Rede, die zum großen Teil ein Weizsäcker Zitat enthielt, dass aber ganz gut zeigte, wie heutige Politik in eine Belanglosigkeitsbubble der Worthülsen abgedriftet ist.
Die Clubszene war SICHTBAR nicht vertreten, lediglich Marcel Weber stand als Repräsentant der CC auf der Bühne. Für die restliche Szene war die Demonstration wohl zeitlich zu früh angesetzt oder das Thema wurde vielleicht noch nicht in seiner Dringlichkeit erkannt, trotzdem die CC am Dienstag schrieb: „Über 40% der Clubs können ihren Betrieb ohne Förderung kaum aufrechterhalten… Ohne staatliche Unterstützung und eine konsequente Förderung der Nachtökonomie droht Berlins Clubkultur in der Belanglosigkeit zu versinken.“ Womit wir wieder beim Thema: „Sind Clubs Kulturstätten“ wären.
Im Rahmen von Hilfsmaßnahmen während der Corona-Pandemie wurden insgesamt 30 Millionen Euro bereitgestellt, um die Clubszene zu unterstützen. Diese Mittel wurden in verschiedene Programme wie das „Soforthilfeprogramm“ und weitere Förderungen für kulturelle Einrichtungen investiert, um den Clubs zu helfen, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung hätten die Clubs von Berlin aktuell durch die Anerkennung als „Kultureinrichtungen“ theoretisch Zugang zu spezifischen Förderprogrammen, die auf kulturelle Projekte ausgerichtet sind. Das dürfte sich durch die geplanten Kürzungen aber erledigt haben.
Wenn der Senat in seiner Solidarität den Kulturschaffenden gegenüber den bedürftigen Berliner Institutionen wie Schulen oder sozialen Einrichtungen gerecht werden muss, stellt sich die Frage, ob Clubs zu den begünstigten Bereichen gehören sollten, wenn Fördermittel verteilt werden. Man denke aktuell nur an Berlins Bildungssenatorin Günther-Wünsch, die Schulen bis Ende November verbietet Klassenfahrten zu buchen und Lehrern nahelegt ihren Anteil selbst zu bezahlen. Wer in diesem Umfeld die wichtige Bedeutung von Clubs als kulturelle Freiräume anbringt, wird seine mentale Gesundheit beweisen müssen. Natürlich könnte man auch einfach den Kapitalismus und das ganze System in Frage stellen. Aber wie sagte schon Logen „Man muss bei diesen Dingen realistisch sein“.
Andere wichtige Akteure waren ebenfalls nicht auf der Demonstration. Tontechniker, Bühnentechniker, Lichttechniker… Dabei hatte die Veranstaltungswirtschaft während Corona für große Aufmerksamkeit mit #AlarmstufeRot gesorgt. Statt der rund 1000 Teilnehmer wären sicher 3000 am Start gewesen. Und ohne sie bleibt Kultur lichtlos, tonlos, bühnenlos und erfolglos. Wer hat da nicht mitgedacht?
Der Intendant des Berliner Ensembles betonte, dass selbst eine scheinbar moderate Kürzung von 10 % große Auswirkungen habe, da 85 % des Budgets bereits für Miete, Instandhaltung und Betriebskosten reserviert sind. Nur die verbleibenden 15 % fließen tatsächlich in das Programm – und genau diese Mittel sind es, die durch die Kürzungen drastisch sinken würden. So spricht man in der Realität von Einbußen, die de facto 40 bis 50 % der Mittel betreffen, die für künstlerische Inhalte und Innovationen zur Verfügung stehen.
Kultursenator Joe Chialo war ebenfalls vor Ort und brachte seine Solidarität zum Ausdruck. Doch er ließ durchblicken, dass die Möglichkeiten, zusätzliche Gelder lockerzumachen, begrenzt seien und da im Senat noch verhandelt werde, wieviel am Ende wo gespart werden wird, er eh keine konkreten Aussagen machen könne. Aber das sei erwähnt… er hatte dem tip Berlin im August bereits ein Interview gegeben, in dem er klarmachte, dass er, wie alle anderen Senatsmitglieder auch, sich an diese Sparvorgaben halten wird.
Worum geht es eigentlich bei diesem ganzen Einsparungsdingens?
Laut Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sollen alle Bezieher von Förderleistungen zehn Prozent ihrer Ausgaben einsparen. Im Berliner Kulturbudget wären somit für die Jahre 2025 und 2026 mit Kürzungen von etwa 120 Millionen Euro pro Jahr zu rechnen. Die Kürzungen könnten dazu führen, dass insbesondere die institutionell geförderten Bühnen, die auf umfangreiche Programmarbeit angewiesen sind, ihre Angebote deutlich reduzieren müssen. Gleichzeitig würde auch die freie Szene hart getroffen, die stark auf projektbasierte Förderung angewiesen ist.
Wie sah das die letzten fünf Jahre aus?
Zahlen zum Kulturhaushalt in Berlin:
2019: 753,7 Millionen Euro
2020: 786,6 Millionen Euro
2021: 811,7 Millionen Euro
2022: 811,7 Millionen Euro
2023: 834,4 Millionen Euro
2024: 844,5 Millionen Euro
In den letzten fünf Jahren gab es also eine Tendenz zur Steigerung der Mittel von etwa 12 %,, mit einem besonderen Fokus auf die Unterstützung der freien Szene, kleinere kulturelle Institutionen und innovative Projekte. Man könnte also sagen, die öffentliche Kulturförderung wurde in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet und nun wieder auf ein Niveau früherer Jahre zurückgefahren.
In einer Zeit, in der Schulen keine Klassenfahrten mehr finanzieren können und die soziale Infrastruktur am Limit arbeitet, könnte die Kultur als „zweitrangig“ betrachtet werden. Doch was bleibt von einer Stadt, die ihren kreativen Sektor auf der einen Seite feiern will, während sie auf der anderen Seite dessen Existenz bedroht?
Kurz gesagt: Berlin könnte sich bald als arm und langweilig erweisen, wenn der finanzielle Kater nach den Sparmaßnahmen die Stadt heimsucht. Wo früher Kunst, Musik und Clubs den Puls der Stadt ausmachten, bleibt dann vielleicht nicht mehr viel – und das ist weit entfernt von „sexy“. Oder um Wowereit in abgewandelter Form zu zu bemühen: Berlin ist Arm aber, trotzdem uncool.