Ohne jegliche Vorankündigung hat Aphex Twin, einer der einflussreichsten und rätselhaftesten Künstler der elektronischen Musik, eine neue Compilation veröffentlicht: Music From The Merch Desk (2016-2023). Die Sammlung vereint bisher rare und schwer zugängliche Tracks, die zwischen 2016 und 2023 entstanden und bislang nur auf physischen Datenträgern direkt an Merch-Ständen seiner Live-Auftritte verkauft wurden.
Die Veröffentlichung fügt sich nahtlos in die Historie von Richard D. James ein, der unter seinem Alias Aphex Twin seit den frühen 1990er-Jahren immer wieder neue Maßstäbe für experimentelle und elektronische Musik setzt. Bekannt für seinen bahnbrechenden Sound zwischen Ambient, Techno, IDM (Intelligent Dance Music) und Noise, wurde Aphex Twin schnell zu einer der prägendsten Figuren der Szene. Alben wie Selected Ambient Works 85–92 und Richard D. James Album gehören heute zu den Klassikern des Genres.
In den letzten Jahren hat Aphex Twin zunehmend ein unkonventionelles Verhältnis zu Veröffentlichungen gepflegt. Seine Live-Auftritte wurden zur Hauptplattform für neue Musik: Aufnahmen wurden exklusiv an den Merch-Ständen als Vinyl, Kassetten oder limitierte Datenträger angeboten. Für Fans war dies oft der einzige Weg, an frisches Material zu kommen – allerdings verbunden mit dem Charme der Unzugänglichkeit, der James‘ Musik stets umweht. Nun bündelt Music From The Merch Desk (2016-2023) genau jene Tracks, die sonst in den Händen von Sammler*innen geblieben wären, und öffnet sie einem breiteren Publikum.
Die Compilation erscheint ohne große Promo, ohne Videoclips oder klassische Marketingstrategien – ganz im Stil des Künstlers, der sich seit jeher gegen die Konventionen der Musikindustrie stellt. Bereits 2014 sorgte er mit der Veröffentlichung des Albums Syro für Aufsehen, das nach 13 Jahren kreativer Stille die Rückkehr eines Pioniers markierte. Überraschende EPs wie Cheetah oder Live-Experimente folgten, oft begleitet von kryptischen Botschaften und Ankündigungen.
Der Titel der Compilation spiegelt genau das wider, was Aphex Twin ausmacht: Musik direkt vom Ort des Geschehens, unpoliert und kompromisslos. Music From The Merch Desk bietet tiefere Einblicke in seine jüngste Schaffensperiode und zeigt einmal mehr seine Fähigkeit, vertraute elektronische Strukturen zu brechen und gleichzeitig emotional aufzuladen.
Für Fans und Liebhaber*innen ist diese Compilation nicht nur eine Sammlung, sondern eine Art Schatzkiste: Einblicke in Live-Auftritte, neue Nuancen und musikalische Experimente, die Aphex Twin auf seinen eigenen, oft verschlungenen Pfaden hinterlassen hat. Die Veröffentlichung bestätigt einmal mehr, dass Richard D. James immer dann liefert, wenn man es am wenigsten erwartet – ein Künstler, der seine Musik stets nach eigenen Regeln lebt und die Grenzen dessen, was elektronische Musik sein kann, immer wieder neu definiert.
Die überraschende Veröffentlichung eines 38-Track-Kompilationsalbums, das rare Vinyl-Tracks aus Aphex Twins Festival-Sets vereint, ist ein wahres Geschenk für Fans – trotz seines absichtlich miserablen Cover-Artworks. Seit seinem letzten Album Syro (2014) und dem massiven SoundCloud-Upload von 270+ Tracks im Jahr 2015 hat Richard D. James den Schwerpunkt seiner kreativen Energie auf Live-Sets gelegt. Dort kombiniert er visuelle Exzesse des Künstlers Weirdcore mit intensiven Sounds, die irgendwo zwischen einem Flaming-Lips-Konzert und einem Drogenrausch liegen.
Zwischen 2016 und 2023 erschienen limitierte Vinyl-Editionen, die ausschließlich bei Merchandise-Ständen ausgewählter Shows erhältlich waren – oft bereits ausverkauft, bevor Fans überhaupt zugreifen konnten. Nun sind diese Tracks als Stream verfügbar, was das Rätselraten und die astronomischen Sammlerpreise auf Discogs beendet. Die Veröffentlichung enthält sowohl funktionale Dancefloor-Banger als auch experimentelle AFX-Skizzen, mit Highlights wie der Hardcore-Battle-Waffe Nightmail, die WH Audens Poesie in einen Breakbeat-Kontext bringt, oder dem nostalgischen Em2500 M253X, das Piano-Minimalismus und Vogelgesang kombiniert.
Die Tracks sind durchzogen von Aphexianischer Folklore, wie etwa die Hommage an einen geliebten Effektprozessor von 1989 in T13 Quadraverbia N+3 oder die Drum’n’Bass-Perle Spiral Staircase (AFX Remix), die aus einem Remix-Wettbewerb stammt, bei dem James den Preis dem Zweitplatzierten überließ. Die Kompilation zeigt Aphex Twins künstlerische Dualität: tief verwurzelt in der elektronischen Musikgeschichte Detroits und Düsseldorfs, aber immer rebellisch Cornish – mit einem Herz, das auf einem imaginären Mars schwebt.