Schütze safer Spaces und subkulturelle Freiräume – für eine offene Gesellschaft!

Am Wochenende entscheidet sich, in welche Richtung sich Deutschland politisch bewegt. Die Bundestagswahl 2025 ist nicht nur ein zentraler Moment für die gesamte Gesellschaft, sondern auch für die Kulturbranche und insbesondere für die Clubkultur. Ich spüre eine nervöse Anspannung, eine unterschwellige Angst, die mich nicht loslässt. Was, wenn wir nicht laut genug waren? Was, wenn wir nicht mehr sind? Was, wenn rechte Kräfte weiter erstarken und die Orte, die wir lieben und die wir nach unseren Werten als Safer Spaces außerhalb heteronormativer Standards gestalteten, nun zerstört werden?

Autor: Jessica Schmidt

Als Journalistin widmet sich Jessica Schmidt den Themen der Club- und Subkultur. Zudem moderiert und produziert sie den Safer-Use- Podcast NACHTSCHATTEN - ein Kooperationsprojekt u.a. von SONAR - Safer Nightlife Berlin. Neben ihrer Tätigkeit als Moderatorin, Autorin und Kommunikationsmanagerin war Jessica Schmidt auch für die Pressearbeit diverser Club- und Kulturformate wie z.B. der Nachhaltigkeitsinitiarive CLUBTOPIA verantwortlich. Als Teil der DRAUSSENSTADT-Jury hat sie zudem einen detaillierten Blick auf die Förderlandschaft der Hauptstadt. Gemeinsam mit Zoe Uellendahl betreibt sie das Content-Projekt TRESENTALK, das im Rahmen des Publikumstags der STADT NACH ACHT am 18.November diverse Paneltalks in der Renate moderiert und kuratiert.

Politische Rahmenbedingungen für Clubkultur

Ich werde nicht müde, diesen Satz zu wiederholen, bis der Status auch von der letzten Person anerkannt wurde: Die Club- und Festivalkultur ist mehr als nur Unterhaltung. Sie ist ein wichtiger gesellschaftlicher Raum, in dem Diversität, Solidarität und Weltoffenheit gelebt werden. Doch genau diese Werte stehen unter Druck. Die jüngste politische Entwicklung – insbesondere die Zusammenarbeit von CDU/CSU, FDP, BSW und AfD bei migrationspolitischen Anliegen – zeigt, wie demokratische Grundwerte durch kurzfristige parteipolitische Interessen gefährdet sein könnten. Die Clubcommission und die LiveKomm haben sich klar dagegen positioniert und fordern eine Kulturpolitik, die Vielfalt schützt und fördert. Weshalb es wirklich wichtig ist, sich in diesen Zeiten zu solidarisieren und mit breiten Schultern aufzustellen, will ich in diesem Beitrag erklären.

Vote Clubkultur: Warum jede Stimme zählt

Vor diesem Hintergrund hat die Initiative Vote Clubkultur eine Kampagne gestartet, um Kulturschaffende und Clubgänger:innen zur Wahl zu mobilisieren. Clubs sind mehr als Party-Orte – sie sind safer Spaces, in denen Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Status zusammenkommen. Sie stehen für ein freies, diverses und selbstbestimmtes Miteinander – Werte, die durch rechte Politik akut bedroht sind.

Diese Wahl geht jedoch über Kulturförderung hinaus – sie ist ein Kampf für Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft. Ich bin keine Freundin davon, Feindbilder nach außen zu schaffen. Viel wichtiger ist es mir, gemeinsam Lösungswege statt Schuldige zu finden. Deshalb hat mich die bundesweite CSD-Kampagne „Wähl Liebe“ zur Bundestagswahl 2025 sehr berührt. Unter diesem Motto finden am 15. Februar 2025 über 25 Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen in ganz Deutschland statt. Die Botschaft ist klar: „Kreuze setzen statt Grenzen“. Denn die Rechte aller nicht heteronormativ lebenden Menschen liegen mir am Herzen – genauso wie der Schutz einer liberalen Demokratie.

Was eine rechte Kulturpolitik bedeuten würde

Rechte Kulturpolitik bedeutet nicht nur den Abbau von Fördermitteln oder die Einschränkung von Freiräumen – sie hat tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Kulturszene. Rechte Parteien nutzen zunehmend parlamentarische Strategien, um Einfluss auf Kulturarbeit zu nehmen. Sie hinterfragen Förderprogramme, versuchen, kritische Kunst- und Kulturinstitutionen finanziell auszutrocknen und fördern stattdessen eine rückwärtsgewandtes Kulturangebot. Es sollen andere Narrative erzählt, andere Theaterstücke aufgeführt werden. Alles mit dem Ziel Kunst und Kultur in eine konservative, „nationale“ Richtung zu lenken, in der Diversität, Minderheitenschutz und kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit keinen Platz mehr haben.

Insbesondere queere, migrantische und feministische Kunst- und Kulturakteur:innen geraten ins Visier einer rechten Kulturpolitik. Würde sich eine solche Kulturpolitik durchsetzen, könnten Clubs und Festivals, die für Vielfalt, Freiheit, Sexpositivität, Konsumaktivismus und gesellschaftlichen Diskurs stehen, systematisch verdrängt oder ausgehungert werden.

Warum Berlin ein besonderer Wahlkampf-Schauplatz ist

In Berlin kristallisieren sich einige der spannendsten Wahlkreisduelle heraus. Besonders in fünf Wahlkreisen stehen politische Schwergewichte, aufstrebende Newcomer und enge Rennen im Fokus. Einer dieser Wahlkreise ist Steglitz-Zehlendorf (WK 78), wo CDU, SPD und Grüne um das Direktmandat kämpfen. Die Entscheidungen in diesen Wahlkreisen werden darüber mitbestimmen, ob Berlin weiterhin eine Vorreiterrolle für Club- und Kulturpolitik einnimmt oder ob neue politische Mehrheiten hier andere Akzente setzen werden, die das Aus einer Förderlandschaft bedeuten könnten, die sich bislang internationaler Strahlkraft erfreut.

Warum jede:r Clubgänger:in jetzt wählen gehen sollte

Wer denkt, dass es bei dieser Wahl nicht um Clubkultur geht, irrt gewaltig. Wenn Kulturförderungen weiter gekürzt werden, bedeutet das nicht nur weniger finanzielle Unterstützung für Veranstalter:innen, sondern auch höhere Eintrittspreise, weniger Diversität im Programm und letztlich das Aus für viele Clubs und Festivals. Noch bedrohlicher ist der zunehmende Rechtsdruck: LGBTQ+ freundliche Clubs, safer Spaces für queere und sexpositive Menschen und subkulturelle Orte geraten ins Visier rechter Politik. Restriktive Gesetzgebungen könnten Türsteher:innen verpflichten, rassistische oder queerfeindliche Kontrollen durchzuführen, Lärmschutzverordnungen könnten gezielt gegen alternative Veranstaltungsorte eingesetzt werden, und Fördermittel könnten nur noch an „traditionelle“ Kulturformen fließen.

Ich kann und will mir eine Zukunft nicht vorstellen, in der das Feiern nicht mehr bedeutet, sich frei und sicher zu fühlen. Ich will keine Welt, in der wir uns verstecken oder leiser werden müssen. Wenn wir nicht wählen, überlassen wir es anderen, nicht nur über unsere Nächte, sondern vor allem über unsere Lebensentwürfe zu bestimmen. Also – in aller Freundlichkeit: Arsch hoch, Wahlzettel holen und für eine offene, vielfältige und clubfreundliche Zukunft stimmen!