Während die schnelle Bille schief im Gesicht sitzt und wir warme Vodka-Mate ins System kippen, um gegen Schlafmangel und den Kater von letzter Nacht zu steuern, dröhnt aus dem Park schon die erste Bassbox.

Autor: Jessica Schmidt

Als Journalistin widmet sich Jessica Schmidt den Themen der Club- und Subkultur. Zudem moderiert und produziert sie den Safer-Use- Podcast NACHTSCHATTEN - ein Kooperationsprojekt u.a. von SONAR - Safer Nightlife Berlin. Neben ihrer Tätigkeit als Moderatorin, Autorin und Kommunikationsmanagerin war Jessica Schmidt auch für die Pressearbeit diverser Club- und Kulturformate wie z.B. der Nachhaltigkeitsinitiarive CLUBTOPIA verantwortlich. Als Teil der DRAUSSENSTADT-Jury hat sie zudem einen detaillierten Blick auf die Förderlandschaft der Hauptstadt. Gemeinsam mit Zoe Uellendahl betreibt sie das Content-Projekt TRESENTALK, das im Rahmen des Publikumstags der STADT NACH ACHT am 18.November diverse Paneltalks in der Renate moderiert und kuratiert.

Doch bevor wir uns im Rave-Rausch kollektiv in den Arm nehmen und vergessen, wie viele Stunden Schlaf eigentlich gesund wären, ein kurzer Reminder: Heute ist nicht der „Internationale Tag der Kostenlosen Open Airs“, sondern der Kampftag der Arbeiter:innenklasse. Ja, klingt altbacken. Ist aber leider immer noch bitter nötig.

Denn während du gestern noch darüber nachgedacht hast, ob du lieber zu DJ XY im RSO oder zu DJ Z im Kater tanzt, hat Friedrich Merz deine Zukunft geplant – und Spoiler: Sie sieht aus wie ein Bewerbungsgespräch bei McKinsey, nur ohne das gute Gehalt. Der Mann, den die Mehrheit zum Bundeskanzler wählte, stellt nun in frage, ob Deutschland überhaupt einen Mindestlohn braucht. Das ist enttäsuchens, wenn auch wenig überraschend, schaut man sich sein inner circle – eine wilde Mischung aus besorgten Bürger:innen Rich-Kids – an.

Laut Mindestlohnrichtlinie sollte Mindestlohn über 15 Euro indiskutabel sein – ist er aber nicht. Und statt faire Löhne zu sichern, plant die Regierung massive Eingriffe ins Arbeitsrecht. Bedeutet übersetzt in leichte Sprache: Noch mehr schuften für noch weniger Money, aber mit extra Burnout als Bonus. Bravo.

Also: Raus auf die Straße, nicht nur auf den Dancefloor. Denn Clubkultur ohne soziale Gerechtigkeit ist wie ein DJ-Set ohne Bass – inhaltsleer und kraftlos.

Wo wir gerade bei Trauerspielen sind: Kulturstaatsminister wird bei Merz ein Mann namens Wolfram Weimer. Wer behauptet, er stehe für “Eine konservative Wende”, umschreibt charmant die Tatsache, dass Weimer der feuchte Traum aller Kulturfeinde ist. Ein gezielter Kahlschlag für alles, was Diversität, Kreativität und gesellschaftliche Relevanz hat. Kurz gesagt: eine kulturelle Spaltung, die am Ende direkt in die Arme der AfD spielt. Wer da noch schulterzuckend im Club steht und denkt, Clubkultur sei nicht politisch, kauft auch bei Primark mit der Überzeugung, Modetrends müssen nicht viel kosten.

Aber der Protest schläft nicht und hier sind ein paar Events auf denen du auch nach dem 01. Mai och Haltung zeigen kannst:

Am 17. Mai geht’s weiter mit der nächsten Asugabe von A100-Wegbassen. Treffpunkt: Ausfahrt des 16. Abschnitts dieser hässlichen Beton-Wunde durch Berlin. Was gebraucht wird? Alles! Technik, Redebeiträge, Ressourcen, deine helfende Hand beim Aufbau und der Durchführung – meld dich bei Ilja (im@clubcommission.de), wenn du mithelfen willst. Die A100 ist nicht nur ein unzeitgemäßes Bauvorhaben, sie ist ein Symbol – für Betonpolitik ohne Rücksicht auf Menschen, Umwelt oder Subkultur. Weg damit!

Und weil es nicht reicht, einmal im Jahr die Faust zu heben: Auch der CSD braucht Support. Dieses Jahr fehlen 200.000 Euro an Sponsorengeldern – und nein, das ist kein Tippfehler. Ursache: Das politische Klima wird frostiger, nicht nur in den USA. In Deutschland friert es langsam auch in den Herzen der Fördergeldverteiler:innen. Der Berliner CSD soll trotzdem am 27. Juli stattfinden – und das geht nur, wenn wir gemeinsam was dafür tun. Spenden, helfen, laut sein. Auch im Glitzerkleid und Latexoutfit.

Ein weiterer chance to Soli-Dance ist die  Soli-Party vom Clubliebe e.V.am 24. Mai im Subversiv e.V. mit Kleidertausch, Doku, Performance und Küfa. Und die Kohle geht u.a. an Bündnisse wie gegen die A100 und nachhaltige Clubinitiativen. Wer’s verpasst hat: Kopf hoch, solche Formate kommen wieder.

Zum Schluss noch ein heißer Tipp für alle, die lieber mit Kunst gegen die Dystopie kämpfen: Lara Wilde zeigt in ihrem Forderzimmer eine Ausstellung mit dem Titel, der den Zeitgeist wohl kaum besser fassen könnte:
 „I know how I got here, but I don’t know how to leave.“
 Same, Lara. Same.

Ihre Ausstellung ist aber nicht nur schön anzusehen, derzeit sucht sie auch nach Protagonist:innen für ihr neuestes Fotopojekt, um gesellschaftliche Themen fotograifsich dazustellen.

Fazit: Du willst feiern? Versteh ich. Ich auch. Aber wenn wir wollen, dass wir auch morgen noch in Clubs tanzen können, die mehr sind als nur kapitalistische Cash Cows mit konservativer Türpolitik auf Dosenbierniveau, dann reicht’s nicht, sich auf der Tanzfläche vor der Realität zu verstecken. Geh auf die Straße. Zeig Haltung. Denn während andere den Kapitalismus optimieren wollen, können wir ihn immer noch zum Wackeln bringen wie unseren Po – mit Bass, Banner und bewusstem Widerstand.

Happy 1. Mai. Und bitte nicht vergessen: Der Kampf geht weiter. Auch nach dem Afterhour-Frühstück. Support your local radikale Kiezkultur!